: "70 CDU-Leute denken wie ich"
■ Rainer Eppelmann, Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmer (CDA), möchte, daß die Regierung bei Kündigungsschutz, Lohnfortzahlung und Kindergeld einlenkt
taz: Sie haben als einziger Abgeordneter der Koalitionsfraktion CDU/CSU gegen die Spargesetze der Regierung gestimmt. Werden Sie auch im Bundestag dagegen stimmen?
Rainer Eppelmann: Diese Frage kann ich nicht beantworten. Schließlich ist noch nicht klar, ob die Bundesregierung in der einen oder anderen Frage einlenkt.
Wo liegen die größten Chancen?
Bei der Einschränkung des Kündigungsschutzgesetzes und der Lohnfortzahlung sowie der Verschiebung des Kindergeldes.
Sie haben Unterstützung von Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth und dem CDA-Stellvertreter, Walter Link, bekommen. Ist die Basis des Widerstandes in den eigenen Reihen größer, als es der Öffentlichkeit bekannt ist?
Die Reaktionen von Rita Süssmuth und Walter Link haben mich nicht überrascht. Ich wußte von Anfang an, daß sie mich unterstützen. Ich war lediglich erstaunt, daß ihre Ansichten an die Öffentlichkeit gelangt sind. 70 Bundestagsabgeordnete gehören der CDA an. Die meisten von ihnen denken inhaltlich ganz ähnlich wie ich.
Sie haben an die Spitzenvertreter der Arbeitgeberverbände appelliert, „ihre Konfliktstrategie gegen den Sozialstaat und damit gegen den sozialen Frieden einzustellen“. Müßten Sie nicht auch an Ihre eigene Partei appellieren?
Für einige unserer Mitglieder trifft das zu. Es gibt bei einer großen Partei wie der unseren eben ein breites Meinungsspektrum. Das ist Schwierigkeit und Chance zugleich.
Die Sozialstaatsdebatte der letzten Monate bezeichnen Sie als chaotisch. Was meinen Sie damit?
Diejenigen, die von Sparen reden, vermitteln den Eindruck, es reichte, ein bißchen zu sparen. Es geht aber um tiefgreifende Strukturprobleme.
Mit ihrer Kritik am Sparpaket wollen Sie aber doch gerade Standards bewahren.
Deshalb bin ich ja auch Mitglied der CDU. Konservatismus bedeutet schließlich, gute Sachen zu bewahren.
Welche Maßnahmen des Sparpaketes können Sie mittragen?
Ich unterstreiche das Gesamtpaket insofern, als es Fehlentwicklungen in der Gesellschaft bereinigen will. So müssen wir zum Beispiel den massiven Steuermißbrauch abbauen. Dafür brauchen wir ein neues Steuergesetz.
Und wie stärken Sie die Arbeitnehmer?
Wir schlagen vor, die Beschäftigten am Produktivkapital zu beteiligen. Dies gilt insbesondere für die neuen Bundesländer. Gerade dort kranken viele Unternehmen daran, daß die Eigenkapitaldecke existenzgefährdend dünn ist. Man könnte ein Prozent zukünftiger Lohnerhöhung als Investivlohn vereinbaren.
Das Bündnis für Arbeit scheint gescheitert. Gibt es eine Alternative?
Das Bündnis für Arbeit ist nicht gescheitert. Es ist lediglich auf der obersten Ebene, im Kanzleramt, ins Stocken geraten. Es gibt aber zahlreiche Beispiele für ein funktionierendes Bündnis, so etwa im Bereich der IG Chemie und bei Opel. Die Zahl derer, die begreift, daß wir nur gemeinsam weiterkommen, wird zum Glück immer größer. Markus Franz
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