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Archiv-Artikel

portrait Auf der Suche nach dem rechten Ton

Das Interview zum neunfachen Babymord von Brieskow-Finkenheerd war ein richtiger Schönbohm: Die Verproletarisierung der Bevölkerung durch die SED sei ursächlich für Verwahrlosung und Gewaltbereitschaft der Brandenburger, hatte der stellvertretende Ministerpräsident Brandenburgs am Mittwoch dem Berliner Tagesspiegel gesagt und damit eine Protestlawine auch innerhalb der CDU ausgelöst.

Wolfgang Böhmer, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, forderte eine Klarstellung. Der Bürgerrechtler Günter Nooke bemerkte spitz, er sei „generell dagegen, individuelle Taten schnell in kollektiven Erklärungsmustern zu deuten“. An Protest ist der 68-jährige Exgeneral gewöhnt, macht er doch gern mit provokanten Äußerungen auf sich aufmerksam. Als Berliner Innensenator fühlte er sich in einigen Bezirken „nicht als Deutscher in Deutschland“, Schulschwänzer wollte er vor zwei Jahren mit Fußfesseln zu Ordnung rufen.

Auch seinen Landeskindern gegenüber wählt der gebürtige Brandenburger gern deutliche Worte: Als im vergangenen Sommer die Menschen in Potsdam auf Montagsdemos gegen Hartz IV protestierten, lobte er das Gesetz und forderte mehr Eigenverantwortung. Manfred Stolpe, für viele zwischen Cottbus und Perleberg noch immer ein Idol, warf er vor, von Brandenburg zu lange als „kleiner DDR“ gesprochen zu haben – und vermittelt seinen potenziellen Wählern so zuverlässig den Eindruck, nie recht in seiner alten Heimat angekommen zu sein. Bei den Landtagswahlen im vergangenen Herbst erreichte die CDU mit Jörg Schönbohm an der Spitze denn auch nur 19,4 Prozent und wurde drittstärkste Partei hinter PDS und SPD.

Im persönlichen Gespräch neugierig und offen, genießt er beim politischen Gegner durchaus Respekt. So hält der Berliner Grünen-Politiker Wolfgang Wieland ihm zugute, er suche stets „den Diskurs und weiche keiner Diskussion aus“. Freunde bescheinigen ihm „preußischen Wertkonservatismus“, zentral sei für den Vater dreier Kinder und Großvater von sechs Enkeln seine Familie.

Als die Potsdamer Märkische Allgemeine vor einigen Wochen den „wichtigsten Märker“ suchte, plädierte Schönbohm für den Schriftsteller Günther de Bruyn und lobte dessen „Verwurzelung in der Heimat und sein Bekenntnis zur Nation“. Das sind Begriffe aus der Welt des Militärs, der in der Bundeswehr Karriere gemacht und als Befehlshaber des Bundeswehrkommandos Ost die NVA aufgelöst hat. Die Wiedervereinigung, die Verständigung von West und Ost sind seitdem seine großen Themen. Nur dabei den rechten Ton zu treffen, gelingt ihm nicht.

HEIKE HOLDINGHAUSEN