pampuchs tagebuch: Und er würfelt doch!
Ja danke, es war ein schöner Urlaub. Das Schöne am Urlaub ist ja, dass man sich – wenn man zurück ist – voller Energie wieder ins Arbeitsleben kuscheln kann. In meinem Falle besteht diese Arbeit gerade darin, nach 10 Tagen Abstinenz mal wieder ins Netz zu gucken. Weil aber Urlaub den Blick weitet und auf die wichtigen Fragen im Leben führt, habe ich mich nicht lumpen lassen und mir eine Homepage gesucht, die meinem Zustand angemessen ist. Surfen als intellektuelles Erlebnis, wann leistet man sich schon mal so was?
Dabei gebe ich zu, dass ich per Zufall auf die anspruchsvolle Seite gekommen bin. Aber so wie einen manchmal ein bestimmtes Buch zu einer bestimmten Zeit findet, so ist es wohl auch mit Webseiten. So erfuhr ich auf der Homepage des Verlags Hoffman und Campe (www.hoffmann-und-campe.de), wo ich eigentlich einen Roman über die Inkas suchte, dass zur Buchmesse das „Sachbuch-Ereignis dieses Herbstes“ ansteht: Stephen Hawkings zweites Hauptwerk „Das Universum in der Nussschale“ erscheint auf Deutsch – 13 Jahre nach „Eine kurze Geschichte der Zeit“, die ja ein eindrucksvoller Wissenschaftsrenner war. An solch einer Mitteilung bleibt man als ausgeruhter Verlagswebseitensurfer schon hängen. Das wirklich Spannende daran aber war der Link zur Homepage des Autors. Ob es dem Verlag nützt, ist eine andere Frage, auf jeden Fall danke ich Hoffmann & Campe, mich auf www.hawking.org.uk gebracht zu haben. Es ist ein erhabenes Gefühl, das Portal eines der Geistesriesen unserer Zeit zu durchschreiten. Immerhin sitzt der „Lukasische Professor im Fachbereich Angewandte Mathematik und Theoretische Physik in Cambridge/Großbritannien“ auf dem Lehrstuhl, den Mitte des 17. Jahrhunderts Isaac Newton innehatte.
Aber man merkt doch, dass sich seit Newton die Erde etwas weitergedreht hat. Wir sind ein paar Leute mehr geworden und wir sind alle ein bisschen näher zusammengerückt. So habe ich mir denn in den letzten Tagen ein faszinierendes privates Kolleg über Kosmologie zu Gemüte geführt, das mir der Meister in seinem geistvollen und teilweise amüsanten Englisch über den Adobe Acrobat Reader frei Haus lieferte. Seine aktuellen „lectures“ über „The beginning of time“, über die Frage, ob es noch anderes Leben in Universum gibt, und über das Einstein’sche Diktum „Gott würfelt nicht“ haben meine Nach-Urlaubs-Tage geadelt. Big Bang, schwarze Löcher, der zweite Lehrsatz der Thermodynamik, Quarks, die Quantentheorie und die Heisenberg’sche Unschärferelation – also ehrlich, da muss man einfach ab und zu mal drüber nachdenken, auch wenn es einem dann doch immer ein bisschen über den Kopf wächst. Das macht nichts, denn Hawking lässt einen nicht im Regen, geschweige denn im schwarzen Loch stehen. Er hat ein hübsches Glossar angefertigt, in dem man sich, wenn man nicht mehr ein noch aus weiß, bei – häufig sogar animierten – Bildern die wichtigsten Begriffe erklären lassen kann. Da kann man sich dann sogar ein schwarzes Loch richtig vorstellen, was schon deswegen wichtig ist, weil Gott, wie Hawking nachweist, natürlich doch würfelt. Und das tut er gemeinerweise auch noch zumeist an Orten, wo man es nicht sehen kann, zum Beispiel in den schwarzen Löchern. Aber mit hawking.org kommen wir ihm jetzt langsam auf die Schliche.
THOMAS PAMPUCH
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