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Archiv-Artikel

noch sechs tage bis zur wahl bush vs. kerry 33 gar nicht unwahrscheinliche Möglichkeiten für ein Patt im Wahlmännergremium

Was ist der Unterschied zwischen den Endspielen der Baseball World Series und der Präsidentschaftswahl? Beim Baseball weiß man, wie die Ergebnisse zustande kommen und warum die Boston Red Sox aus John Kerrys Heimatstaat Massachusetts inzwischen nur noch einen letzten Sieg zum historischen Titelgewinn brauchen. Was den Ausgang der Wahlen angeht, ist das nicht so sicher, und das nicht nur wegen der Probleme an den Wahlmaschinen, die in diesem Jahr nicht nur ein, sondern viele Floridas möglich erscheinen lassen.

Selbst wenn die Wahlen technisch glatt über die Bühne gehen sollten – was allein durch die tausenden an den Wahllokalen postierten Anwälte beider Seiten fast unmöglich erscheint –, wagt niemand eine klare Prognose, wer nächster Präsident wird. Die Washington Post hat in ihrer gestrigen Ausgabe gleich 33 gar nicht unwahrscheinliche Möglichkeiten herausgefunden, wie im Wahlmännergremium nach Ende der Wahlen eine exakte Stimmengleichheit herrschen könnte. In diesem Falle würde das Repräsentantenhaus den Präsidenten bestimmen, der Senat den Vizepräsidenten.

Nicht wenige halten es auch für möglich, dass sich das Ergebnis aus dem Jahr 2000 – Al Gore erhielt insgesamt mehr Wählerstimmen als Bush, aber nicht die Mehrheit im Wahlmännergremium – diesmal wiederholen könnte, nur andersherum. Denn in den meisten nationalen Umfragen liegt Bush leicht in Führung – in den umkämpften Swing States aber Kerry.

Falls die Wahl allerdings wieder beim Obersten Gerichtshof ankommen sollte, wird es noch kurioser: Seit drei Tagen ist dessen Vorsitzender, der stockkonservative 80-jährige William H. Rehnquist, wegen Kehlkopfkrebs im Krankenhaus. Sollte er es nicht schaffen, sich rechtzeitig zum Richtertisch zu schleppen, wäre die Kammer mit vier zu vier unentschieden. In jedem Fall aber hat Rehnquists Abtransport vor Augen geführt, dass der nächste Präsident wahrscheinlich neue Richter benennen darf – die Frage ist, wer zuerst stirbt. Denn im Vergleich zum Obersten Gerichtshof der USA ist der Papstthron ein Schleudersitz. Veränderungen kommen nur zustande, wenn ein Richter stirbt oder sich doch erbarmt und vorher seinen Rücktritt einreicht – was selten vorkommt. Rehnquist war 1972 von Präsident Nixon ernannt und 1986 von Präsident Reagan zum Vorsitzenden gemacht worden. Er ist der vierte der neun Richter, der an Krebs erkrankt ist – und weitermachen will. BERND PICKERT