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Archiv-Artikel

nebensachen aus sydney Insel der Ignoranz: Wo zur Hölle liegt „Switzerland“?

Ja, es ist ein langer Weg von Sydney nach Europa. Rund 16.000 Kilometer. Doch wer die australischen Medien konsumiert, könnte auf den Gedanken kommen, der Rest der Erde liege auf einem anderen Planeten. Ob Zeitungen, Fernsehen, Rundfunk oder Zeitschriften: Die meisten sind derart auf Australien fokussiert, dass jemand, der wissen will, was sonst noch abläuft auf dem Globus, auf CNN, BBC und Deutsche Welle angewiesen ist.

Die Vielfalt der australischen Medien ist verglichen mit anderen westlichen Ländern minimal. Der Großteil der Druckmedien ist in der Hand von Rupert Murdoch, einem Amerikaner australischer Herkunft. Und die beiden großen privaten Fernsehanstalten gehören zwei Milliardären. James Packer, dessen Hauptgeschäft Spielkasinos sind, besitzt Channel 9. Channel 7 gehört Kerry Stokes, ehemals Viehtreiber. Diese Sender sind das beste Beispiel für die Selbstverliebtheit der australischen Medien. „Ausländische“ Themen kommen fast nur vor, wenn Blut spritzt, sich auf dem Bildschirm Leichensäcke stapeln, Paris Hilton einen neuen Liebhaber hat oder Queen Elisabeth eine neue Handtasche. Internationale Themen, etwa die sinkende Popularität von George W. Bush – immerhin sterben auch australische Soldaten in Irak und Afghanistan –, sind schlicht zu wenig „sexy“. Selbst so genannte Qualitätszeitungen wie Sydney Morning Herald oder Australian haben eine klägliche Auslandsberichterstattung. Auch hier schleichen sich zunehmend Blut- und Sexgeschichten ein. Im Murdoch-Revolverblatt Daily Telegraph – die meistgelesene Zeitung im Lande – gab es noch nie Geschichten aus dem Ausland – außer natürlich nach einem Bombenanschlag oder Tsunami.

Die Folgen dieser Abschottung sind ebenso vielfältig wie bedrückend. So konnten denn auch während der WM hoch bezahlte TV-Fussballkommentatoren „Sweden“ und „Switzerland“ nicht unterscheiden, geschweige denn den Namen eines Spielers aussprechen, der nicht Smith oder Miller heißt. Ignoranz gegenüber anderen Kulturen, ein naives Unverständnis, das gelegentlich in Arroganz und Rassismus ausartet, ist die wohl tragischste Folge der Unterversorgung mit Auslandsberichten. Fast nie hört der Durchschnittsaustralier, dass es jenseits seiner Insel nicht nur Flüchtlinge und Terroristen gibt, sondern auch Wissenschaftler, Geschäftsleute oder Nobelpreisträger.

Mit dem Internet haben sich glücklicherweise Möglichkeiten eröffnet, um an Qualitätsnachrichten zu kommen. Doch seien wir realistisch: Nur ein Bruchteil der AustralierInnen nutzt das Netz, um sich zu informieren, was in der Welt läuft. Weitaus die meisten beziehen alle Informationen aus dem Daily Telegraph und aus den Nachrichtenprogrammen der TV-Sender. Und die machen mit Volldampf weiter auf Verdummung. Channel 7 hat jüngst mit einer neuen Frühstückssendung Channel 9 die langjährige Führung bei den Einschaltquoten abgejagt. Das Erfolgsrezept: banal und oberflächlich. „Normal“ müssten sie sein, die Moderatoren. So sprechen sie nur über „normale“ Themen, über die eben auch Herr und Frau Smith sprechen: Babykleiung statt Biogas, Frisuren statt Friedensgespräche, Abmagerungskuren statt Hungerhilfe. Und über Sport natürlich. Aber nur australischen. URS WÄLTERLIN