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nebensachen aus brüsselFreiheit, Kriminalität und europäische Zusammenarbeit: Wenn die Polizei am Wahlabend stört

Wahlabend in Frankreich. Auf dem Fernsehbildschirm in meinem Büro jubelten die Sarkozy-Fans. Am Telefon hatte ich einen Europaabgeordneten, der in einer ersten „Reaktion aus Brüssel“ um die bürgerlichen Freiheitsrechte fürchtete und den Überwachungsstaat à la Schäuble und Sarkozy in ganz Europa näher rücken sah. Deshalb beachtete ich die beiden Polizisten, die sich plötzlich in den Türrahmen drückten, auch nicht weiter. Sie passten irgendwie zum Thema und waren doch zu dieser Zeit an diesem Ort vollkommen surreal. Meine Zeitung wartete dringend auf das Interview.

Die beiden Männer räusperten sich verlegen. Ob ich bitte mal runterkommen könne, mein Auto angucken, sagte der eine in gebrochenem Französisch. Ich erklärte schnell und wortreich, dass es unmöglich für mich sei, den Schreibtisch jetzt zu verlassen. Er guckte mich völlig verständnislos an. Ein schöner Grundsatz, Polizisten weit weg von ihrer Heimat einzusetzen, damit keine Verfilzungen entstehen können. Aber flämische Polizisten sollten in Flandern bleiben. Genau in dem Moment sagte der freundliche junge Mann: „Verzeihen Sie bitte, wenn ich Sie nicht so gut verstehe. Ich bin niederländischsprachiger Belgier.“

Absolut entwaffnend. Da muss die Zeitung eben warten. Die Menschentraube, die sich um mein Auto gebildete hatte, war beachtlich. Frau Okapi unterhielt sich angeregt mit Frau Okapi. Die eine ist jung und schwarz. Sie heißt so, weil ihr Vater, ein berühmter Zoologe, das Okapi im Kongo entdeckt hat. Die andere, schon etwas älter und ziemlich blass, arbeitet in der Wäschereiannahmestelle der Kette „Okapi“. Meinem Auto fehlte nichts, von Ferne betrachtet, aber die Gespräche drehten sich eindeutig ums organisierte Verbrechen.

Bei Frau Okapi (der Zoologentochter) hatten sie kürzlich alle Juwelen gestohlen. Frau Okapi von der Wäscherei wusste, dass die Apotheke an der Ecke gerade überfallen worden war. An meinem Auto war die kleine Dreieckscheibe an der Beifahrerseite eingeschlagen. Ich dankte den Nachbarn für ihre Wachsamkeit, den Polizisten für ihre Einsatzbereitschaft und wandte mich zum Gehen. Dabei hätte ich wissen müssen, dass kein belgischer Polizist den Ort des Geschehens verlässt, ohne ein Protokoll aufzunehmen. Der Geschädigte darf in Brüssel, das zweisprachige Zone ist, zwischen Französisch und Flämisch wählen. Ich buchstabierte dem Protokollführer also ein paar französische Sätze. Den Tatort trug er selber ein. Der Straßenname war genauso verkehrt wie die Hausnummer. Ich unterschrieb trotzdem.

Am nächsten Morgen fuhr ich mit dem Auto zum Europaparlament zu einer Anhörung über den geplanten engeren Datenaustausch zwischen europäischen Polizeibehörden. Fingerabdrücke, Autokennzeichen und DNA-Profile sollen künftig europaweit verglichen werden können. Doch der zunehmende Zugriff der Behörden auf persönliche Daten ist vielen Abgeordneten nicht geheuer.

Hinterher guckte ich mir meine kaputte Scheibe an. Da waren doch bestimmt Fingerabdrücke drauf. Ob man sie in solch einer Kartei wiederfinden würde? Oder ob mein Auto irgendwo in Europa aufgetaucht wäre, wenn man es mir am Wahlabend gestohlen hätte? Auf dem Beifahrersitz lag die Kopie des Polizeiprotokolls. Mein Name war richtig geschrieben. Aber das Autokennzeichen, das hatte ich noch nie gesehen.

DANIELA WEINGÄRTNER

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