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montagskolumne: meinhard rohr zur lage der nation im spiegel seines wissens

Neulich hörte ich in einem jener hippen Cafés in Berlin Mitte, durch die ich gern flaniere, einen erschreckenden Ausspruch: „Geh doch nach Mitte“, rief dort ein offenbar aus West-Berlin stammender Mann. Bewusst wollte dieser altlinke 68er die früher oft gehörte Verleumdung „Geh doch nach drüben“ ummünzen auf den neuen, modernen, styligen Trendteil der deutschen Hauptstadt, was die Trendteilbewohner, die ich hier einmal Tretebos nennen will, nicht mehr verstehen können. Bezahlt doch der Westler seine Mauer im Kopf der Spaßgesellschaft mit einer Lachmünze aus falscher Zeit. Einer Zeit, in der auch ich leider zu den Linken gehörte. Die menschliche Enttäuschung des Ostlers führt dazu, dass er sich dem Westler überlegen fühlt und eben zum Tretebo wird, der der alten bundesrepublikanischen Spaßgesellschaft die Stirn des neuen Styles bietet. Ein Trost bleibt jedoch: Sie wird die linke Mauer zuletzt überwinden. Denn darin liegt die Zukunft Deutschlands, mitten in Berlin Mitte.

Diese Kolumne erscheint in loser, aber leider häufiger Folge.

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