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Archiv-Artikel

miethai: ALG II und Genossenschaftsanteile Ein Fall für die Behörde

Nicht nur Kautionen, sondern auch Genossenschaftsanteile sind Wohnungsbeschaffungskosten im Sinne des § 22 Abs. 3 SGB II. Das hat das Sozialgericht Reutlingen jüngst klargestellt (Urteil vom 23. 11. 2006, Az.: S 3 AS 3093/06) Es verpflichtete eine Behörde in Baden- Württemberg, Genossenschaftsanteile für eine ALG-II-Bezieherin zu übernehmen.

Die Klägerin bezog in diesem Fall seit Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Zunächst hatte sie im Aufnahmehaus der Arbeiterwohlfahrt gelebt. In Abstimmung mit der Behörde war sie in eine 2-Zimmer-Wohnung einer gemeinnützigen Genossenschaft umgezogen. Dazu war die Zeichnung zweier Genossenschaftsanteile in Höhe von je 800 Euro erforderlich. Die Behörde wollte nur einen Genossenschaftsanteil als sofort rückzahlbares Darlehen gewähren. Den zweiten Anteil verweigerte, da die Genossenschaft der Klägerin Ratenzahlung angeboten habe. Das Sozialgericht stellt fest, dass SGB-II-Leistungsempfänger nicht in der Lage sind, aus der Regelleistung gemäß § 20 Absatz 1 SGB II Genossenschaftsanteile zu erbringen. Wohnungsbeschaffungskosten seien seitens der Behörde in voller Höhe zu erbringen, konkret in Form eines Darlehens. Die Behörde habe dabei zu beachten, dass die Rückzahlungsverpflichtung so lange zu stunden sei, bis finanzielle Mittel der Klägerin eine Rückzahlung ermöglichten. Insoweit könnten als Rückzahlungszeitpunkte entweder die Schlussabrechnung nach einem Auszug aus der Wohnung oder das Ende des Leistungsbezuges in Betracht kommen.

Mit dieser Entscheidung erhalten Hamburger LeistungsempfängerInnen Rückendeckung, die sich gegen die Praxis der Hamburger Arbeitsgemeinschaft SGB II wehren wollen, Mietkautionen meist nur als ratenweise rückzahlbare Darlehen zu gewähren.

Die Bearbeitungszeit des Sozialgerichts Reutlingen in dieser Sache war übrigens erstaunlich kurz. Zwischen Einreichung der Klage und Entscheidung des Gerichts vergingen nur gut drei Monate. Es wäre wünschenswert, wenn andere Sozialgerichte diesem Beispiel folgen und zeitnah entscheiden könnten.

ANDREE LAGEMANN ist Juristin bei Mieter helfen Mietern, Bartelsstr. 30, ☎ 431 39 40, www.mhm-hamburg.de