meinungsstark:
Unredliche Konkurrenz des Leidens?
„Nahost-Konflikt in Deutschland: Ungesehenes Leid. Muslime in Deutschland erfahren seit dem 7. Oktober Ausgrenzung, sagte Sawsan Chebli in der taz. Dem antwortet der Psychologe Ahmad Mansour“, taz vom 5. 7. 24
Ein weiterer Beitrag zur völlig polarisierten deutschen Debatte – wieder einmal wird das Leid der Israelis gegen das der Palästinenser ausgespielt. Woher nimmt Ahmad Mansour das Recht, Sawsan Chebli ihre Erfahrungen abzusprechen? Chebli hat das Massaker der Hamas verurteilt. Aber muss man wirklich jedes Mal darauf zu sprechen kommen, wenn man über das Leid in Gaza und über eigene Erfahrungen spricht? Dass inzwischen mehr über Gaza als über das Hamas-Massaker berichtet wird, liegt daran, dass dies ein Dreivierteljahr zurückliegt, das Sterben in Gaza aber bis heute Tag für Tag weitergeht.
Israel verteidige in Gaza „seine Existenz“, schreibt Mansour. Muss man wirklich für den Fortbestand Israels Gaza in Schutt und Asche bomben? Und von den Übergriffen der Soldaten und Siedler im Westjordanland wird fast überhaupt nicht geredet. Mansour nennt Chebli in einem Atemzug mit Hamas-Sympathisanten. Das ist einfach unverschämt! Dass es auch Muslime gibt, die nicht mit Judenhass aufwachsen, kann er sich offenbar nicht vorstellen. Er war (oder ist) anscheinend israelischer Staatsbürger und hat daher sicher andere Erfahrungen gemacht als staatenlose Palästinenser, die über Jahrzehnte nicht als Flüchtlinge anerkannt wurden, nicht arbeiten durften und zum Teil aus Deutschland abgeschoben wurden. Eduard Belotti, Augsburg
„Primitiv-Populismus“ im TV?
„Nicht mehr sexy, nur noch schlank“, wochentaz vom 6. 7. 24
Der Artikel zeigt ausführlich und überzeugend, dass die Abschaffung der TV-Sendung „lesenswert“ im SWR nur ein weiteres Element ist der seit Jahren andauernden systematischen Austrocknung des ÖRR. Zu ergänzen wäre der Aspekt, wer als Antreiber hinter dieser Entwicklung steckt. Ähnlich wie in England, wo die jetzt endlich abgelösten Konservativen die ihnen missliebige BBC seit Jahren in den finanziellen und qualitativen Ruin zu treiben versuchten, wird auch hierzulande von der gleichen politischen Mischpoke genau dasselbe Konzept verfolgt. Man hievt willfähriges Personal in die Intendanten-Sessel, die die Anstalten dann von innen aushöhlen. Obwohl der Gegenwert, den der Zuschauer oder Hörer für seinen monatlichen Beitrag abrufen kann, nach wie vor seinesgleichen sucht, wird als erstes eine möglichst dramatische Einspar-Notwendigkeit inszeniert. Charakteristisch war vor einigen Jahren, wie sich einige Landesfürsten nach einer Neuberechnung der Gebühr über einen Differenzbetrag von 43 Cent pro Monat echauffiert und in perfektem Primitiv-Populismus eine „Entlastung“ der gebeutelten Nutzer gefordert haben – für die sie in sozialen Fragen nicht das mindeste übrig haben. Rolf Oesterlein, Nieder-Olm
Alte Männer – gehen mit der Zeit …
„Demokratien in Händen der Alten: Nicht mehr zeitgemäß. Die Demokratien haben mächtige Probleme. Ließen sie sich retten, wenn nicht nur alte Männer ihre Geschicke lenken würden?“, taz vom 4. 7. 24
Wie man die Demokratie vor den Alten schützen könne, wird gefragt, gleichzeitig werden die Begründungen der Jüngeren für ihre politische Enthaltsamkeit für nachvollziehbar erklärt.
Unter den Vorschlägen zur Sicherung der Demokratie finden sich zwei nicht akzeptable Punkte, die auch nicht mit Meinungs- oder Wissenschaftsfreiheit zu rechtfertigen sind: Die Diskussionen der Parteien werden schlicht bezeichnet als „Hickhack der Parteien“. Schon seit der Weimarer Republik gibt es diese Diffamierung des Parlamentarismus – unter verschieden Begriffen. Es findet sich der Vorschlag für eine „höhere Gewichtung der Stimmen junger Menschen“ im Wahlrecht. Der Grundsatz „Ein Mensch – eine Stimme“ wird vergessen. Statt die parlamentarische demokratische Praxis durch negative Beispielsammlungen zu diffamieren und Verfassungsbruch vorzuschlagen, sollte man werben für Beteiligung und Engagement aller. Uwe Hartwig, Ober-Mörlen
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