letzte Fragen :
Warum sage ich zu Patienten „Wir impfen heute den linken Arm?“, obwohl ich allein bin? (29. 3.)
Die Arzt-Patient-Beziehung ist gekennzeichnet durch ein hierarchisches Gefälle. Der Arzt übt als Sachkundiger die Definitionsmacht über den Körper des Patienten (entlehnt aus dem Lateinischen: der Erduldende) aus, der entmündigt und zum Behandlungsobjekt herabgestuft wird. Angesichts dessen versucht der Arzt ein Wir-Gefühl zu erzeugen. Er verschleiert das Machtgefälle, um eigene Schuldgefühle und den Widerstand und die Angst des Patienten zu überwinden. Besser wäre es, die Beziehung durch Offenheit verstehbar zu machen: „Ich schlage vor, Ihren linken Arm zu impfen, weil ich aufgrund meines medizinischen Wissens zu der Erkenntnis gekommen bin, dass …“ So kann ein Dialog mit dem Heilung Suchenden entstehen.
Bertram Wende, Patient, Ennepetal
Ärztinnenpraktikantin Melanie Urbschat stellt diese Frage. Ich finde es bedenklich Pisa-nah, wenn unser akademischer Nachwuchs nicht selbst weiß, warum er fachlich dies oder jenes äußert! Aber um Melanie für ihren weiteren Lebensweg nicht länger verzweifeln zu lassen: Ärzte sagen so was, weil sie keineswegs allein arbeiten (es sei denn, sie piksen sich selbst in den Arm), und das haben sie mit Angehörigen anderer Dienst-am-Menschen-Berufsgruppen wie Krankenschwestern („Wir wollen unser Tellerchen leer essen!“), Fußballschiedsrichtern („Wir wollten doch nicht so ruppen!“) oder Lehrern („Da stelle mer ons janz domm!“) gemein. Olaf Wuttke aus Altona
Weil du unsicher bist, liebe Melanie, tief, tief unsicher! Du willst Verantwortung abwälzen; du willst den armen, hilflosen Patienten mit ins Boot holen. „Wir“ machen das, „du“ bist mitverantwortlich, wenn mir die Nadel abbricht, das falsche Serum aufgezogen wurde, der Stich entsetzlich wehtut (dies vor allem bei Männern, doch das ist eine andere „letzte Frage“). Lies Freud oder geh zu den „Chippendales“. Danach trittst du die Türen ein und rufst: „Ich impfe heute den linken Arm!“
Karl-Heinz Hamacher, Gangelt
Laut Meyers enzyklopädischem Lexikon ist die Verwendung der ersten Person Plural (wir) statt der ersten Person Singular (ich) – der so genannte Pluralis Majestatis – in späthellenistischer Zeit entstanden und wurde z. B. von regierenden Herrschern („Wir, Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser“) verwendet. Warum der Pluralis Majestatis sich gerade bei Medizinern hartnäckig hält, darüber lässt sich nur spekulieren (uneingestandene Omnipotenzfantasien?). Im Übrigen aber ist Frau Urbschat durch ihre Frage schon auf dem richtigen Weg, hat sie doch den Unsinn dieser ärztlichen Formulierung bereits erkannt!
Regine Seeger-Burrer, Erligheim
Das fragen WIR uns auch.
Gerd Neurath, Saarbrücken
Ich habe Dagmar gefragt. Die ist Internistin. Und die meinte: In diesem Fall lass das Impfen lieber sein.
Niklas Reese, Essen
Weil Ärzte sich im Allgemeinen für „Götter in Weiß“ halten oder dafür gehalten werden und sie sich somit als Mensch und Gotteswesen verstehen müssen, neigen sie zur multiplen Persönlichkeit.
Holger Wehrstedt, Hannover
Weil niemand den LehrerInnen nachstehen will, die auch immer behaupten: „Heute schreiben WIR eine Klassenarbeit“. Jens Augner, Berlin
Ist doch sonnenklar, Frau Doktor. Wir wollen die Verantwortung für unser Tun nicht allein tragen, deshalb haben wir eine imaginäre Kollegin dabei und schließen auch gerne den Patienten mit ein. Nicht nur Ärzte, auch z. B. Automechaniker oder Politiker greifen zu diesem Trick.
Manfred Pfeiffer, Bad Waldsee
Das „Wir“ ist die verräterisch laut gewordene Stimme aus dem Unterbewusstsein, wo sich eine einzig am wirtschaftlichen Gewinn orientierte Pharmaindustrie eingenistet hat. „Wir“ bedeutet hier: ausführende Ärztin und Pharmaindustrie. Letztere suggeriert durch geschickte Kampagnen überhaupt erst die Notwendigkeit des Impfens, trotz der unklaren Beweislage über dessen Wirksamkeit und der nicht zu unterschätzenden Risiken. Wer als Arzt wirklich allein arbeitet im Sinne von frei von der Pharmaindustrie und frei im Urteilen und Denken, der impft erst gar nicht. Nadine S. Hager, Görwihl, betreut zwei Kinder, die seit einer „harmlosen“, frühkindlichen Impfung schwerstbehindert sind
Was bedeutet: „Das kann alles und gar nichts bedeuten“? (29. 3.)
Alles oder gar nichts … (ich glaube, ich gehöre mit dieser Antwort wohl zu ca. zigtausend taz-Lesern, denen auch nichts Besseres einfiel...) [Zigtausend nicht, aber schon einige; die Redaktion]
Barbara Kirsch, Lüneburg
Eine ausweichende Antwort.
Holger Wehrstedt, Hannover
Das sagen Schwafler, die nicht mal drei Sekunden die Klappe halten können. Pure Kiefergymnastik, dieser Spruch!
Klaus Türk, Braunschweig
Warum redet man vom stahlblauen Himmel, obwohl Stahl doch gar nicht blau ist? (22. 3.)
Weil dann kein Wölkchen das Himmelsblau trübt. Dann scheint die Sonne unerbittlich, stahlhart.
Bernd Glaumann, Pforzheim
Stahlblau gibt es tatsächlich. Wenn Edelstähle erhitzt werden, bildet sich eine dünne Oxidschicht auf der Oberfläche. Der Volksmund sagt dazu „anlaufen“. Diese Schicht schimmert gern in einem tiefen Blau: stahlblau eben.
Christoph Schmees, Bremen
Aus dem gleichen unerfindlichen Grund, aus dem immer von olivfarbener Haut geschrieben wird, auch wenn die so Beschriebenen keineswegs grün im Gesicht sind. Wiebke Fuchs, Hamburg
Wenn Stahl erwärmt wird, verändert er seine Farbe. An der Farbe kann man sehr genau sehen, wie warm der Stahl geworden ist. Bei zirka 630 Grad wird der wunderschön dunkelblau – eine Farbe, die der Himmel nur selten annimmt. Hat man es geschafft, wichtige Teile einer Maschine stahlblau zu bekommen, kann man von da an getrost für längere Zeit in den Himmel schaun. Hans Christian Koehler
Hmm, ich dachte immer, das Thema „Anlauffarben von Stahl“ gehöre zur Allgemeinbildung, aber vermutlich doch nicht. Also, wenn Stahl stark erhitzt wird, verändert er seine Farbe. Zuerst wird er gelblich, dann geht’s (wenn ich mich recht erinnere) mit Rottönen weiter, und zum Schluss kommt Blau, und zwar ein sehr deutliches Blau. Diese Farben verraten dem Fachmann auch, von welcher qualitativen Beschaffenheit der Stahl ist (spröde, weich u. Ä.).
Ute Lauermann, Hamburg
Warum sind Brüder gut für die Ellenbogen? (22. 3.)
Weil die Ertl-Martina früher als junges Skihaserl immer die Pisten runtergefegt ist und ihr Vater überall ihre dicklichen Brüder postieren ließ, wo sie Gefahr lief, die Kurve nicht zu kriegen. Auf diese Art und Weise hat sie nie auch nur eine Schramme an ihre Ellenbogen bekommen. Aber weil die Brüder es ganz so witzig nicht fanden, immer umgefahren zu werden und am ganzen Körper Beulen und Schrunden zu bekommen, haben sie ihre Schwester für ihren sportlichen Erfolg gehasst wie nichts Gutes und sie das auch spüren lassen. Das wiederum setzte ihr seelisch zu; sie ist ja nicht aus Holz.
Statt sich aber bei den Brüdern für das ständige Umfahren einmal ordentlich und in aller Form zu entschuldigen und um Verständnis zu werben, fing sie damals an, gläserweise Nutella in sich reinzuschaufeln. Seither weiß sie: Nutella ist gut für die Seele. Und Brüder sind gut für die Ellenbogen.
Was sie beim Bungeespringen falsch gemacht hat, kann ich allerdings auch nicht sagen.
Andreas Waldner, München
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