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Archiv-Artikel

leserinnenbriefe

■ betr.: „Bekennen und Bekehren“, taz vom 17. 4. 09

Dagegen ist einiges zu sagen

Ich weiß, bei Euch wird Religion und Spiritualität meistens als schwarz-humoristisches oder skandalträchtiges Feld beackert – allerhöchstens noch als zeitgeschichtliches und soziologisches Phänomen. Nur vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass Philipp Gessler zur gegenwärtigen, öffentlich gemachten Ausdifferenzierung der Weltanschauungen und Konfessionen schreibt: „Das geistlich-geistige Leben wird dadurch vielfältiger, schroffer und verrückter auch. Dagegen ist nichts zu sagen.“

Doch! Nichts gegen die dank Kommunikationshype jedem zugängliche Vielfalt! Weder Schroffheit noch Verrücktheit sind dagegen begrüßenswerte Trends: Eine ver-rückte Religionspraxis (die sich derzeit in fundamentalistischen Strömungen aller kirchlich organisierten großen Weltreligionen zeigt und ein Hauptgrund für den Unfrieden in der Welt geworden ist) impliziert die Schroffheit, und Schroffheit bedeutet Intoleranz, individuelle und kollektive Abgrenzung gegenüber Mitmenschen aus anderen spirituellen Traditionen. Und damit erreichen diese Bewegungen genau das Gegenteil von dem, was alle Religionen in ihrer mystischen Ursprungsidee anstreben: dem, was wir Gott oder auch anders nennen, schon im Erdenleben näherzukommen, mit sich selbst und dem Nächsten in Frieden zu leben, „den Himmel auf Erden“ zu erreichen! Zum Glück gibt es eine wachsende Bewegung von Menschen, die diese gemeinsame Wurzel aller Religionen erkennen und pflegen. Das schafft Toleranz und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, das eigentlich die einzige angemessene Bewusstseinsform in unserer globalisierten, auf „Vermenschlichung“ wartenden Welt darstellt. Nur daraus kann wirkliches solidarisches Handeln, ein funktionsfähiges neues Gesellschaftssystem und ein tragfähiger Frieden in der Welt entstehen.

SABINE MIEHE, Marburg

■ betr.: „Weniger Sprit durch Öko-Label“, taz vom 23. 4. 09

Gefährliches Alibi

Das hört sich alles sehr schön an, aber ich befürchte eine Situation des „Greenwashing“, in der unsere Gewissen schön geschont werden, während der Planet „erstickt“. Ja, wir werden alle Öko-Wäschetrockner, Öko-Autoreifen, Öko-Fernseher kaufen; wir werden mit Öko-Flugzeugen in den Öko-Urlaub fliegen; wir werden Öko-Erdbeeren, die per Öko-Luftfracht hergeflogen werden, kaufen; … aber CO2 wird nach wie vor (in nur leicht geringeren Mengen) ausgestoßen! Dann erlebt die Erde einen verheerenden Klimawandel. Aber zumindest haben wir ein reines Gewissen, weil wir alle „Öko“ gekauft haben.

Nein, ich werde erst an eine gesunde Änderung unser Systems glauben, wenn wir auf öffentlichen Verkehr umgestiegen sind, wenn wir Lebensmittel „aus der Region“ vorziehen und wenn wir unseren Urlaub ohne „Fliegerei“ genießen können. Bis dahin bleiben solche Maßnahmen ein gefährliches „Alibi“, für das die Erde uns nicht danken wird! ALAN SEARLE, Köln

■ betr.: „Linksgrüne für mehr Rot-Rot-Grün“, taz vom 21. 4. 09

Nicht bis zum Herbst warten

Es freut mich zu lesen, dass grüne Abgeordnete einen eigenen Aufruf zur Bundestagswahl verfasst haben, in dem die Möglichkeit eines rot-rot-grünen Bündnisses wenigstens erwähnt wird. Wenn in dem Papier aber – vorausgesetzt, das Zitat stimmt – SPD und Die Linke aufgefordert werden, „die parlamentarische Mehrheit für Mindestlöhne, Bürgerversicherung und Börsenumsatzsteuer nicht weiter zu blockieren, so wird damit ein politischer Pappkamerad aufgebaut. Nicht Die Linke blockiert bei den genannten und anderen Themen die Mehrheit im Bundestag, sondern es ist die SPD, die – von vier honorigen „Abweichlern“ abgesehen – selbst eigene Aufrufe, sich für einen Mindestlohn einzusetzen, aus Koalitionsräson ablehnte – zum Nachteil der Beschäftigen. Bei der Bürgerversicherung haben SPD und auch Grüne im Dezember 2008 den Antrag der Linken abgelehnt, den Gesundheitsfonds zu stoppen und stattdessen eine solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung umzusetzen. Das zeigt, wer hier blockiert.

Die Linke jedenfalls wird SPD und auch Grüne nicht aus der Verantwortung entlassen. Schon der Entwurf des SPD-Bundestagswahlprogramms bietet eine ganze Reihe politischer Forderungen, für die es Mehrheiten im Bundestag gibt. Wer den Menschen wirklich helfen will, braucht nicht bis zum Herbst zu warten. Dr. DAGMAR ENKELMANN, MdB, Die Linke, Berlin