leserinnenbriefe :
■ betr.: „Eine Million Jahre“, taz vom 17. 7. 09
Stilllegung aller AKW
Neben der ungeklärten Entsorgung bzw. Endlagerung gibt es noch mehr Gründe, Atomkraftwerke abzuschalten. Im Oktober 2001 wandten sich 13 atomkritische Verbände mit einem offenen Brief an die damals führenden Repräsentanten Deutschlands. Überschrift des Briefes: „Vorrang für Gesundheits- und Eigentumsschutz der Bevölkerung. Ein Widerruf der Betriebsgenehmigungen der AKW ist atom- und verfassungsrechtlich geboten.“ Alle deutschen Atomkraftwerke müssen also stillgelegt werden. In der Anlage zum „offenen Brief der atomkritischen Verbände vom 8. Oktober 2001“ wird diese Forderung mit Bezug auf Umweltgutachten, höchstrichterliche Urteile, das geltende Atomgesetz und auf die Verfassung ausführlich begründet. Sinngemäß lauten einige Gründe:
Eine geregelte Endlagerung gibt es nicht. Keines der laufenden AKW entspricht dem neuesten Stand von Wissenschaft und Technik. Gegen Terroranschläge lassen sich AKW nicht schützen, ebenso nicht gegen Abstürze von Linienmaschinen. Es besteht ein Super-GAU-Risiko von ein bis zwei Prozent, damit liegt eine mehr als nur „entfernte Wahrscheinlichkeit“ vor. Ein Super-GAU in Deutschland würde bedeuten, dass zwischen mehreren Hunderttausend und 4,8 Millionen Menschen ihr Leben verlieren und Schäden bis zu 5,3 Billionen Euro entstehen. Eine nach Atomgesetz vorgesehene Schadens-Deckungssumme in Höhe von 2,5 Milliarden Euro ist völlig unzureichend. „Der Gesetzgeber ist aber verfassungsrechtlich gefordert, im Atomgesetz eine risikoadäquate Deckungssumme festzuschreiben.“
Es ist scheinheilig, wenn Bürgermeister von Beust und Ministerpräsident Carstensen im Fall Krümmel so tun, als könnte ihre persönliche Entscheidung die Stilllegung des AKW bewirken. Selbst mehrere erneute Trafobrände oder ähnliche Störfälle wären nach Atomgesetz kein Grund, Vattenfall die Betriebsgenehmigung für das AKW Krümmel zu entziehen. Bürgermeister, Ministerpräsident und andere Politiker sollten sich vielmehr auf der Grundlage der im offenen Brief genannten atom- und verfassungsrechtlichen Gründe für eine Stilllegung aller AKW einsetzen. Sie sollten ihre Parteifreunde dafür gewinnen. Eine Laufzeitverlängerung für AKW, wie von CDU und FDP gewollt, ist völlig unverantwortlich! Es ist zutiefst beunruhigend, dass sich bei den Abgeordneten im Bundestag bis heute keine Mehrheit gefunden hat, Betriebsgenehmigungen für AKW durch entsprechende gesetzliche Regelungen zu widerrufen, um Gesundheit und Eigentum der Bevölkerung zu schützen. KLAUS RABE, Hamburg
■ betr.: „Saar-SPD holt sich Personal von Vattenfall“, taz v. 20. 7. 09
Ein kniffliges Rollenspiel
Vom Arbeitgeber des SPD-Kandidaten für das saarländische Wirtschaftsministerium könnten alle Politiker etwas lernen, vor allem die, die als Handlanger für andere Firmen agieren: Der schwedische Staatskonzern Vattenfall macht trotz der Pannenmeiler in Brunsbüttel und Krümmel enorme Gewinne u. a. dank der deutschen preistreibenden Strombörse mit umweltschädlichem Braunkohlestrom und finanziert damit Investitionen u. a. in umweltfreundliche Technologien im Land der Elche. Das ist zwar insgesamt gerechnet eine schlechte Bilanz fürs Weltklima, aber eine hervorragende für dortige Steuerzahler. Wer also die Vergesellschaftung z. B. der Energiekonzerne fordert, kann sich beim Wahlvolk mit Steuersenkungsversprechen beliebt machen, die gute Chancen auf Verwirklichung haben.
Pikanter als Knaubers Rolle ist dieser Lobby-Coup: Deutschland ist weltweit führend beim Einräumen von Klagerechten für Konzerne. Vattenfall verklagt z. B. gerade die BRD vor dem Weltbank-Schiedsgericht wegen der Umweltauflagen für das Kohlekraftwerk Hamburg-Moorburg. Ein Erfolg dieser Klage kann dazu führen, dass Konzerne noch mehr Umwelt- und Klimaschadenskosten auf Staatskassen und Steuerzahler abwälzen und nationale Gesetze ausgehebelt werden. Selbst dann, wenn diese zum Teil von Firmenlobbyisten entworfen wurden. Nicht nur die SPD hat sich damit ein kniffliges Rollenspiel eingebrockt. BERND LIEFKE, Hamburg
■ betr.: „Nur einer vertraut Carstensen“, taz vom 24. 7. 09
Wiederkandidatur ausschließen
Das politische Instrument zum Misstrauensvotum hat der Gesetzgeber seinerzeit eingesetzt zu nur einem plausiblen Grund: bei Amtsmissbrauch, Unfähigkeit, Koalitionsbruch oder sonstigen Vergehen einen demokratischen Weg zur Korrektur zu ermöglichen.
Peter Harry Carstensen hat – ebenso wie Gerhard Schröder 2005 – dieses politische Instrument zum Zwecke der persönlichen Vorteilsnahme missbraucht. „Wenn einem Ministerpräsidenten dieses Misstrauen ausgesprochen wird, kann daher nur die logische Schlussfolgerung gezogen werden, dass dieser den Anforderungen dieses Amtes nicht genügt.“ Die einfache wie geniale Schlussfolgerung kann deshalb nur lauten: Eine Wiederkanditatur für dieses Amt ist gesetzlich auszuschließen. JOSEF GAPPA, Waltrop