leserinnenbriefe :
Was heißt künftig „sozial“?
■ betr.: Schwarz-gelbe Arbeitsproben. Gesundheit“, taz vom 1. 2. 10
Was heißt künftig „sozial“? Im Steuersystem ist das „Sozialprinzip“ noch erkennbar: Durch die Steuerprogression steigt der Steuersatz in Abhängigkeit vom Einkommen. Wer mehr verdient, zahlt mehr. Und wer sehr wenig verdient, zahlt gar keine Steuern. Im Gesundheitssystem ist es eher umgekehrt, was inzwischen zu einem Armutsrisiko geworden ist. Bis zur „Bemessungsgrenze“ wird noch proportional zum Einkommen bezahlt, das gilt auch für Geringverdiener. Darüber hinaus steigt der Betrag nicht mehr, also auch nicht für Spitzenverdiener.
Das Konzept der Kopfpauschale geht nun noch einen Schritt weiter: Alle sollen dasselbe zahlen, unabhängig vom Einkommen. Da dies Arbeitslose und Geringverdiener gar nicht können, soll es einen Zuschuss, Sozialausgleich genannt, geben. Den finanzieren aber nicht die Besserverdienenden, sondern „der Staat“. Möglicherweise soll dann auch die Absetzbarkeit der Krankenkassenbeiträge fortbestehen, sodass diejenigen, die mehr verdienen, auch mehr von ihren Beiträgen zurückbekommen. Das wäre der Gipfel der Perversion! DIETER STOMPE, Erfurt
Lassen wir uns nicht kaufen!
■ betr.: „Ihr müsst leider draußen bleiben“ von Harald Heiskel, sonntaz vom 30. 1. 10
Es wäre schön und im Sinne von allen Patienten, wenn sich Ihnen viele Kollegen anschließen würden und sich unsere Ärzte von der Pharmaindustrie unabhängig machen würden. So könnte eventuell auch das schon lange verlorene Vertrauen wiedergewonnen werden. Wir alle haben doch immer mehr den Eindruck, hier geht es nicht mehr darum, uns zu helfen, wenn wir erkranken, sondern teure, neue und oft auch unnütze Medikamente auf unsere Kosten unters Volk zu bringen. Grade in Zeiten, wo die Pharmaindustrie mit Hilfe des Gesundheitsministers Männer wie Peter Sawicki, Leiter der Arzneimittelprüfstelle IQWiG, verdrängt, ist es wichtig, dass Ärzte Stellung beziehen und offenlegen, wer im Gesundheitswesen in Deutschland was zu sagen hat. Nämlich nicht die Ärzte, nicht die Krankenkassen, nicht die Politiker, sondern, wie sollte es anders sein, die mit dem Geld, die Pharmaunternehmen. Lassen wir uns nicht kaufen! DANIELA MALEK, Wolfsburg
Zivile Schutzschilde
■ betr.: „Heuchlerische Hamas“, Kommentar von Susanne Knaul, taz vom 30. 1. 10
Es stimmt, der wahllose Beschuss israelischen Gebiets durch die Raketen der Hamas war ein Kriegsverbrechen. Nicht unterschlagen werden sollte allerdings die Vorgeschichte: die fortdauernde, völkerrechtswidrige Strangulierung des Gazastreifens und die Wiederaufnahme israelischer Militäroperationen in Gaza im November 2008. Durch diese Vorgeschichte wird auch Susanne Knauls (und Israels) These vom „moralischen Unterschied“ relativiert: Dass nämlich die 1.400 toten Palästinenser im Gazakrieg unvermeidbare Folge eines notwendigen Kriegs zur Verteidigung israelischer Zivilisten gewesen seien und die hohe Anzahl der dabei getöteten Kinder Schuld der Hamas, die die Kinder als Schutzschilder benutzt habe – Missbrauch von Zivilisten als Schutzschilder gab es offenbar auf beiden Seiten, (Amnesty, taz 9. 1. 2009) –, aber dass hinter den meisten getöteten Kindern ein Hamas-Kämpfer stand – absurd! Während umgekehrt die Hamas es darauf angelegt habe, „gerade auch (israelische) Kinder zu töten“, um den Feind besonders hart zu treffen – eine, wie ich finde, ziemlich infame und bisher durch nichts belegte Interpretation des Beschusses durch die Kassam-Raketen. ANDREAS UNGER, Berlin
Holocaust-Vergleiche stinken
■ betr.: „Kein Recht zu gedenken“, Leserinnenbrief zum Kommentar „Heuchlerische Hamas“, taz vom 1. 2. 10
Holocaust-Vergleiche haben schon immer gestunken, dieser jedoch stinkt besonders. Kaum jemand wird bezweifeln, dass die israelische Politik gegenüber der arabischen Bevölkerung in Gaza und der Westbank wenig mit Achtung vor diesen Menschen und deren Rechten zu tun hat. Diese jedoch als „seit 60 Jahren andauernden Genozid“ zu bezeichnen, lässt sich allenfalls noch toppen durch die komplette Leugnung des Holocaust an den Juden als „Propagandalüge der Medien, um von der Wiedergutmachung zu profitieren“ – wie es aus dem Mund palästinensischer Araber gern mal zu hören ist.
ENNO LIEBENTHRON, Bremen