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Archiv-Artikel

leserinnenbriefe

Rechtsstaatliche Tugenden stärken

■ betr.: „Telefonieren ist Privatsache“, „Ein guter Tag für die Bürgerrechte“, taz vom 3. 3. 10

Das Bundesverfassungsgericht hat eine richtige Entscheidung getroffen. Allerdings wäre es noch besser gewesen, wenn es den großen Schritt gewagt und die EU-Richtlinie nicht nur in ihrer Ausführung, sondern als solche abgelehnt hätte. Denn die Philosophie der Vorratsdatenspeicherung basiert darauf, dass man die gesamte Gesellschaft unter Generalverdacht stellt, anstatt die allgemeine Unschuldsvermutung als den Normalfall zu betrachten und erst bei einem konkreten Verdacht Informationen zu sammeln. Ein Staatsverständnis, das zum Demokratieabbau beiträgt, da dadurch das Bild entsteht, dass der Staat seinen Bürgern nicht mehr traut und ihrem Privatleben deswegen zunehmend auf die Pelle rückt. Es ist an der Zeit, einen Datenschutzaufbruch zu wagen, der es jeder Person ermöglicht, das über sie vorhandene Material bei Behörden und Unternehmen einzusehen. Schließlich zeigt der Umgang mit den Stasiakten, dass jene Methode zur Stärkung rechtstaatlicher Tugenden äußerst wirksam ist! RASMUS PH. HELT, Hamburg

Nichts als Schwindel

■ betr.: „Die Verkäuferin verdient 500 Euro mehr als Hartz IV“, „Der Lohnabstand ist garantiert“, taz vom 2. 3. 10

Was war denn das? Da hat ein Herr Westerwelle diesem Land wochenlang eine Diskussion aufgezwungen, und fast alle Medien haben Tag für Tag immer neue Märchen von üppigen Hartz-IV-Hängematten hinzugefügt, die mehr Geld bringen als der Hände Arbeit. Stammtische fühlten sich bestätigt, Westerwelle beherrschte die Tagesthemen, FDP-Umfragewerte gingen wieder in die Höhe …

Und nun stellt sich heraus, dass die von Westerwelle konstruierten Beispiele Schwindel waren, nichts als Schwindel. In der deutschen Realität gibt es diese Fallbeispiele gar nicht, die Westerwelle und Boulevardzeitungen in Millionen Köpfe geschrien haben. Was macht er jetzt? Wird sich Herr Vizekanzler für seinen Fauxpas entschuldigen und statt weiter Stimmung für seine Klientel und gegen andere Bevölkerungsgruppen zu machen, endlich politische Lösungen (etwa Mindestlöhne) umsetzen? Angesichts seiner Unaufrichtigkeit ist dies leider nicht zu erwarten. KURT LENNARTZ, Aachen

Es ist noch viel schlimmer

■ betr.: „Das stumme Sterben einer schwermütigen Stadt“,taz vom 3. 3. 10

Es ist noch viel schlimmer als beschrieben: Unser Gerd Schröder und Christian Wulff sind aus Hannover weggezogen, und heute Morgen klemmte die Toilettenspülung, und mein Moped sprang nicht an … HUBERT SCHMANTECK, Hannover

Hannover ist rot und bunt

■ betr.: „Das stumme Sterben einer schwermütigen Stadt“,taz Wahrheit vom 3. 3. 10

Der Autor sollte schnell etwas gegen seine Depressionen unternehmen, damit es bald zum stummen Sterben einer schwermütigen Lebenseinstellung kommt. Ich wohne jetzt zwölf Jahre in Hannover, und mir kommt Hannover gar nicht schwermütig vor. Kommen Sie in die Biergärten, zum Altstadt- oder Schützen- oder Maschseefest, zum Karneval oder zu den einzelnen Stadtteilfesten. Da (und auch einfach auf der Straße) trifft man die freundlichen und fröhlichen Menschen, die man vom Schreibtisch aus nicht wahrnimmt. Allerdings wird man unter diesen Leuten kaum jemanden finden, der zum Beweis seiner Fröhlichkeit Robert Enke und Frau Käßmann mit Ironie überschüttet. Die Stadt ist nicht traurig grau: Hannover ist grün – kaum eine Stadt hat so viel Baumbestand und Grünflächen. Hannover ist rot – durch erfolgreiche Wahlen –, das heißt, der hannoversche Sympathieträger heißt nicht (wie im Artikel) Christian Wulff, sondern Stefan Weil. Und Hannover ist bunt durch die vielen Menschen, die hier gerne leben und deren Wurzeln nicht hier liegen. Freundlich gesagt: Der Artikel geht total an der Wirklichkeit vorbei, anders ausgedrückt: Er ist eine Unverschämtheit. Und falls er witzig sein sollte: Humor geht anders. SOPHIE BERGMANN, Hannover

Fragwürdige Ökobilanz

■ betr.: „Die Könige der Zweckdienlichkeit“, taz vom 27. 2. 10

Gut, der Artikel war als Lobhudelei angekündigt, und ich war selbst schon oft genug fasziniert von den Fertiggerichtabteilungen britischer Supermärkte. Aber unter dem Stichwort „Kühlkette“ im Info-Kasten hätte ich mir doch zumindest einen Hinweis auf die fragwürdige Ökobilanz derselben gewünscht anstatt eines Verbrauchertipps à la Brigitte. SUSANNE SCHNEIDER, Ginsheim-Gustavsburg

Vitamin- und Geschmacksverluste

■ betr.: „Die Könige der Zweckdienlichkeit“, sonntaz vom 27. 2. 10

Ralf Sotschecks Werbeartikel für die Tiefkühlindustrie löste bei uns sowohl Vitamin- als auch Geschmacksverluste aus. Selten berichtete Ihr Großbritannienkorrespondent so unkritisch über seine geliebten Nachbarn (den Kröten im tiefgekühlten Loch). Seine sehr glaubwürdigen Lobhudeleien auf die Tabakwaren- und Alkoholmanufakturen finden dagegen unsere breiteste Anerkennung.

RAINER GRIESTOP, CHRISTINE KÖHL, Melle