leserinnenbriefe :
Sind wir noch eine Demokratie?
■ betr.: „Herr und Diener“, taz vom 11. 9. 10
In diesem Kommentar ist vortrefflich geschildert, was von Schwarz-Gelb zu erwarten war und ist. Im Rundfunk war heute noch zu hören, dass auch die Pharmaindustrie sich mit den Forderungen nach weniger Kontrolle durch das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) durchgesetzt hat. Wie hoch mögen die Spenden an die drei Parteien wohl sein? Wie heißt es im Grundgesetz Artikel 20 (2)? Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sind wir noch eine Demokratie oder eine Bananenrepublik?
MARION MANNECK, Essen
Missverständliche Karikatur
■ betr.: „Medienpreis für Kurt Westergaard“, taz vom 9. 9. 10
Woran erkennt man bei dem dänischen Mohammed-Karikaturisten Westergaard sein besonderes Eintreten für die Meinungsfreiheit? An den Versuchen von religiösen Fanatikern, ihn zu ermorden? Hat er das denn vorausgesehen, und wollte er sich dieser Gefahr aussetzen und notfalls opfern? Mit seiner missverständlichen Karikatur hat er die religiösen Gefühle zahlreicher Muslime verletzt, und Ausschreitungen in der islamischen Welt führten zu bis zu 150 Toten.
Kein Wort dazu von ihm bei der Preisverleihung und ebenso wenig bei unserer Regentin, der großen Kämpferin für die Meinungsfreiheit. Gibt es da nicht bessere diesbezügliche Betätigungsfelder für sie? Herr Westergaard erklärte, er würde es wieder tun. Er hat ganz offensichtlich keinerlei Probleme mit den 150 toten Menschen.
Mehr menschliche Größe hätte er mit der Aussage bewiesen: Hätte ich gewusst, dass als Folge so viele Menschen sterben würden, ich hätte diese Karikatur nicht gezeichnet. Der Tod dieser Menschen ist das nicht wert.
Übrigens bezeugt die Geschichte des Christentums keinesfalls ein Übermaß an Toleranz, insbesondere auch gegenüber anderen Religionen. Auch heute glauben Katholiken, die einzig wahre und selig machende Religion zu besitzen.
Auswüchse wie die geplante Koranverbrennung von christlichen Fanatikern am Jahrestag der Bombardierung des Moneda-Präsidentenpalastes in Chile (1974), dem Freitod Allendes und Beginn der blutigen Militärdiktatur Pinochets kommen dann schon mal vor.
ANGELIKA HAMLAOUI, Münster
Die Realität ist viel bunter
■ betr.: „Die Durchschnittswerte sind halt so“, taz vom 11. 9. 10
Eigentlich habe ich auf die Sarrazin-Debatte keine Lust und schon gar nicht darauf, sein Buch zu lesen. Aber nun beschäftigt mich die Debatte schon zum dritten Mal.
Das erste Mal war die Aufregung, die das Interview mit den „Kopftuch-Mädchen“ in der Lettre verursachte. Warum wurde ihm da überhaupt der medienöffentliche Raum für seine Thesen zugestanden? Müssen uns die demografischen und migrationspolitischen Thesen eines Bundesbankers interessieren? Wahrscheinlich war die Veröffentlichung ausgelöst durch das diebische Vergnügen, das personalpolitische Kalkül, Herrn S. in den Bereich der finanzpolitischen Expertokratie entsorgt zu haben, zu durchkreuzen. Schade. Herr S. hat damals erneut wohlige Schauer erlebt durch die ihm gewährte Aufmerksamkeit. Dabei ist doch schon lange klar, dass sein IQ seinen EQ um einiges übersteigt und dass es mit seiner sozialen – geschweige denn sozialpolitischen – Kompetenz nicht weit her ist.
Das zweite Mal tauchte vor ein, zwei Wochen plötzlich in der taz die Frage nach der Sinnhaftigkeit des großen Medienechos der Buchveröffentlichung auf. Das ist dann wohl wie „Haltet den Dieb“ rufen.
Fall drei – und jetzt geht es um die Thesen selbst: Der heutige Bericht über die Diskussion in Potsdam macht darauf aufmerksam, wie dicht Rassismus und Sexismus beieinanderliegen. Die Thesen des Herrn S. über die Vererbung von Intelligenz erinnern an Vererbungstheorien, in denen der männliche Samen in das Gefäß des weiblichen Körpers gegossen wird. „Der Arbeiter“, „der Akademiker“ vererben so ihre Fähigkeiten und lassen ihre Kinder von (hirnlosen) Frauen austragen. Ach, HERRje. Gut, dass die Realität so viel bunter ist. SABINE HÜBNER, Berlin
Unwürdiges Spektakel
■ betr.: „Die Durchschnittswerte sind halt so“, taz vom 11. 9. 10
Lieber Günter Wallraff, es reicht, jetzt bist du zu weit gegangen! Bitte nimm deine Sarrazin-Maske ab und beende das unwürdige Spektakel. STEFAN BÖHLKE, Buchholz