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kolumne ernsthaft?Von den eigenen Leuten bestraft

Der (Noch-)Ostbeauftragte der Bundesregierung, Marco Wanderwitz, hat etwas Wichtiges gewagt und gesagt. Aber mit der Anerkennung für politischen Mut ist es so eine Sache

Ulrike Winkelmann

ist Chefredakteurin der taz.

Woran bemisst sich Mut? Daran, dass ein Scheitern möglich ist. Woran bemisst sich politischer Mut? Daran, dass ein öffentliches Scheitern möglich ist – meistens mündet es in Amtsverlust. Der ist dann nur noch Ausdruck dessen, was vorher läuft: Wie sich Verbündete plötzlich abwenden. Wie den Zeitungen – natürlich vertraulich – erzählt wird, wie komisch der Kandidat sich schon länger gebärdete. Wie Leute, die eben noch die Förderung des Kandidaten genossen, erstaunlich fix andere politische Sponsoren finden.

Mut in der Politik ist, auch das Gewebe von Bestätigung, Hoffnung und Loyalität zu riskieren, das den politischen Status neben dem Titel auskleidet. Womit wir bei Marco Wanderwitz wären, (Noch-)Ostbeauftragter der Bundesregierung. Der war auch sächsischer CDU-Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl und bekommt von der Sachsen-CDU nun die Schuld für ihr jammervolles Ergebnis übergeholfen, weil er im Wahlkampf gesagt hat, viele AfD-Wähler seien für die Demokratie verloren, weil „diktatursozialisiert“.

Damit hat er allerdings nicht nur die AfD-Wählerschaft, sondern auch recht viele CDU-WählerInnen beleidigt. Das jedenfalls meint unter anderen Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer. Angeblich war der immer ganz dicke mit Wanderwitz, doch diese Woche soll Kretschmer persönlich verhindert haben, dass Wanderwitz Chef der neuen CDU-Sachsen-Gruppe im Bundestag wird. Was sich jetzt nach nicht viel anhört – aber es könnte sein, dass die CDU demnächst kaum mehr höhere Ämter zu vergeben hat als „Landesgruppenchef im Bundestag“.

Zugegeben: Wanderwitz’Einlassungen waren in der Vergangenheit nicht immer so, dass wir sie in der taz beklatscht hätten – ich erinnere an „höhere Krankenkassenbeiträge für Übergewichtige“. Aber der Grund, warum Sie den Namen jetzt häufiger in der taz gelesen haben, ist, dass Wanderwitz aktuell vielen aus dem Nicht-CDU-Lager Respekt abnötigt.

Der CDU-Mann kämpft ganz offen, also mit harten Vorwürfen, gegen die AfD – und gegen die selbstbezügliche unsinnschleudernde Verachtung aller demokratischen Maßstäbe so vieler Wählerinnen und Wähler im Osten. Es gehe um die Demokratie als Ganzes, sagt er. Schon ausweislich der Hasskampagne der AfD gegen ihn braucht es dafür tatsächlich Mut.

Nur ist es mit der Anerkennung für politischen Mut eine ambivalente Sache. Oft kommen die Ehrenbezeugungen vom politischen Gegner und haben deshalb Beigeschmack. So klopfen auch jetzt Wanderwitz besonders viele Leute auf die Schulter, die niemals CDU wählen würden.

Mit der Freude darüber, dass ein CDU-Mann Ost so deutliche Worte über die UndemokratInnen findet, geht außerdem eine – ungewollte – Kränkung einher: Nämlich all derer, die denselben Kampf gegen rechts schon viel, viel länger führen und dafür in 30 Jahren deutlich weniger Aufmerksamkeit bekommen haben als Marco Wanderwitz in einer Wahlsaison. Und bedenken viele Wessis – mich eingeschlossen – Wanderwitz möglicherweise auch deshalb so freundlich, weil er ihr ebenso gefestigtes wie schlichtes Bild vom Osten und namentlich Sachsen als miefig-braunem Sumpf bestätigt?

Das alles ist gut möglich, und das Gegenteil kann kaum bewiesen werden. Vielleicht aber steckt hinter all dem doch einfach ein Eindruck, den viele intuitiv teilen: Dass hier jemand etwas Wichtiges gewagt und gesagt hat, dass er dafür von seinen eigenen Leuten bestraft wird und das nicht verdient hat. So jedenfalls geht es mir damit.

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