: „...kann man besser aburteilen“
Chinesische Justiz will umdefinieren: von der „Konterrevolution“ zur „Gefährdung der Staatsicherheit“/ Konterrevolutionäre Absicht sei „oft schwer zu beweisen“ ■ Aus Peking Boris Gregor
In China wird es künftig keine Konterrevolution mehr geben — zumindest strafrechtlich. Die 'Rechtszeitung‘ kündigte jetzt an, daß die entsprechenden Paragraphen aus dem Gesetzbuch gestrichen werden. Dies bedeutet allerdings keine Liberalisierung der Pekinger Politik: Dissidenten werden künftig als „Verbrecher, die die Staatssicherheit gefährden“, abgeurteilt, das strenge Strafmaß bleibt gleich. Eine andere Interpretation, erklärte das Blatt mit drohendem Unterton, „wäre selbstverständlich ein Mißverständnis“.
Mit dieser Reform gestehen die Funktionäre indirekt ein, daß sie bei der jüngsten Aburteilung der vermeintlichen Konterrevolutionäre aus dem Pekinger Frühling (Höchststrafe, so weit bekannt, 13 Jahre) bei aller Beugung des Rechts noch ihre Schwierigkeiten hatten. Denn, so die 'Rechtszeitung‘, ohne sich allerdings auf die Prozesse zu beziehen, sei es bei dem Begriff „Konterrevolution“ „oft schwer“, jemanden schuldig zu sprechen.
Nach dem Gesetz müsse nämlich bei einer Tat eine „konterrevolutionäre Absicht“ erkennbar sein. Die jedoch in der Regel schwer zu beweisen sei. Deshalb seien zum Beispiel Mörder aus politischen Motiven früher als gewöhnliche Verbrecher verurteilt worden — klarer ist bislang der chinesischen Öffentlichkeit die krumme Praxis der Justiz nicht demonstriert worden.
Die Zeitung: Bei der neuen Formulierung „Gefährdung der Staatssicherheit [...] kann man solche Verbrechen besser aburteilen. Man braucht sich nicht mehr um die Beweise für eine „konterrevolutionäre Absicht zu kümmern.“
Hinzu kommt eine ideologische Begründung. Zwar gebe es, so heißt es, in China in gewissen Bereichen noch „Klassenkampf“. Aber das Land sei nicht mehr in einer revolutionären Situation, die „Ausbeuterklasse“ existiere nicht mehr.
Außerdem erhofft sich die KP durch die Gesetzesänderung offenbar eine leichtere Auslieferung flüchtiger Oppositioneller aus anderen Staaten. Argument: die Paragraphen, die das Wort „Konterrevolution“ enthielten, seien von westlichen Ländern — nicht zu Unrecht, wie die 'Gesetzeszeitung‘ eingesteht, als politische interpretiert worden. Auslieferungsersuchen der chinesischen Polizei wurde deshalb nicht stattgegeben: „Wir könnten deshalb Schwierigkeiten bekommen.“ Mit der Reform habe das Gesetz aber seinen politischen Charakter verloren. „Diese Änderung“, erwartet Peking, „wird die Kooperation zwischen den internationalen Justizorganen begünstigen.“
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