hamburger szene von Stefanie Diemand : Wo ist eigentlich der Bürgermeister?
Beim Eintritt in den spärlich bestuhlten Seminarraum interessiert die Journalisten nur die Antwort auf eine Frage: Wo ist eigentlich Bürgermeister Olaf Scholz (SPD)? Kann keiner beantworten, ist bei all der Prominenz aber auch egal.
Für ein Projekt gegen Fremdenfeindlichkeit kamen am Montag etwa Travestiekünstler Lilo Wanders und Schlagerstar Gunter Gabriel in die Schule für Schauspiel nach Hamburg. Geladen hatte Initiator und Ex-Wetten-Dass-Kandidat Max-Fabian Wolff-Jürgens (dort als „Kisten-Max“ angetreten) zum Start seiner neuen Website. Auf der Seite „Stimmen des Nordens“ sollen Menschen in ganz Deutschland Video-Selfies mit einem Statement gegen Ausländerfeindlichkeit posten. Der 20-jährige Wolff-Jürgens setzt da nicht gerade auf die Digital Natives, Jörg Pilawa war gestern der Jüngste.
70 Promis haben schon ein Video-Selfie auf der Seite hochgeladen. Als die gezeigt werden, gibt es etwas Unmut unter den Gästen: Wer ist hier eigentlich der prominenteste der Prominenten? Wieso steht Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) weit vor Jörg Pilawa? Böse Blicke bis Wolff-Jürgens beschwichtigt, das sei ja auch alphabetisch angeordnet. So ganz unwichtig ist die Promi-Frage dann aber wohl doch nicht: Auf den 20 Minuten zu spät kommenden Pilawa wird gewartet, das Nacktmodell Micaela Schäfer soll halt später dazustoßen.
Trotz Warterei bleibt die Stimmung gut, auch als Moderator Carlo von Tiedemann nach einem Fischbrötchen fragt und mit einem Plastikbecher Wasser abgespeist wird. Als Pilawa endlich erscheint, bleibt kaum Zeit für große Worte. Schließlich kommen viele „Stimmen des Nordens“ auch aus dem Osten und Westen Deutschlands und sind nur für ein kurzes Statement da. Wanders etwa will Unentschlossene zum Umdenken bewegen. Unbestritten eine gute Idee. Dass sie diese als „indirekte Mitstreiter der Rechte“ bezeichnet, wirkt nicht so motivierend. Und Tiedemann erklärt: „Wir reden über Menschen, die aus dem Krieg kommen, Familie verloren und Vergewaltigung erlebt haben. Für mich zählt nur der Mensch.“ Am Ende wird noch die Frage nach Scholz beantwortet. Mitmachen wollte er nicht, aber er schickte ein schriftliches Statement. Da wäre ein Selfie doch auch drin gewesen.
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