feine fernseh-weihnacht von FANNY MÜLLER:
Eigentlich wollte ich eine Hör zu! kaufen, aber die gab es nicht mehr, und da holte ich mir eine TV direkt. Bevor ich „Super Weihnachten, Mega Filme zum Fest“ aufschlage, überlege ich, was Weihnachten in der Glotze gezeigt werden muss: „Der kleine Lord“, „Vom Winde verweht“, „Sissi“ und André Rieu. Der Dingensfilm, wo es immerzu schneit, mit James Stewart als Bankfachmann, der die Stadt vorm Kapitalismus rettet, haha. Trickfilme. Jede Menge Zeugs, das sich Fantasy oder Comedy nennt und mit beiden Begriffen aber auch sowas von rein gar nichts zu tun hat. Knabenchöre. Irgendwas mit Harald Juhnke. Was soll ich sagen? Sie können ja selbst nachkucken – das ist fast alles drin. Nur Harald Juhnke nicht. Oder hab ich den übersehen? Weil der inzwischen abgek- … also keinen mehr erkennt und nicht mehr den Säuferbonus hat („Einer geht noch“), und den „Kleinen Lord“ gibt es schon am 23. Dezember.
Dann die Geschichten aus Tausendundeiner Nacht (Sie wissen schon: „Der Kalif von Bagdad“), die werden aber in die Nachrichtensendungen verlegt. Kuck ich auch nicht, hab ich alles schon vor soundso vielen Jahren gesehen. Falls die Wüstenfuchsaktion schon angefangen und Ihr Bedarf an Bildern von fliegenden beziehungsweise abstürzenden Flugzeugen noch nicht gedeckt sein sollte, können Sie sich aber noch „Fire-Fox – heiße Story aus dem kalten Krieg“ zu Gemüte führen. Oder „Countdown, der Himmel brennt“, einen Katastrophenthriller. Kurzfassung des Films: „Ozonschicht weg = Probleme da“. Ach ja, „Schlacht um Midway“ gibt es auch noch – vom fernen Kriegsgetümmel im Pazifik.
Stehen Sie oder Ihre Kinder aber mehr auf „Erotikthriller“, dann wäre um zwei Uhr „Naked Killer“ das Gegebene. Wiederum Kurzfassung: „Berge verstümmelter Leichen führen Kommissar Tinam auf die Spur dreier weiblicher Killer. Tinam verliebt sich in …“
Noch vor wenigen Jahren wurde Ihren Kindern in Erwartung der Bescherung „Airport II – Giganten am Himmel“ geboten, diesmal gibt’s nichts Aufregendes, außer einer Bergweihnacht in Osttirol, Festtagsküche in Mecklenburg-Vorpommern, so klingt’s bei uns im Arzgebirg, Ostpreußische Weihnacht und dasselbe auf Gran Canaria. Da haben wir alles zusammen: ehemalige Ostgebiete und zukünftige und, na, das ist ja vielleicht was für Ihre Kleinen: „Weihnachten ist Party für Jesus“.
Am nächsten Tag können Sie sich dann von all den Kinderchören erholen – es gibt ungefähr zehn Horrorfilme, Actionfilme und Psychothriller. Am Heiligabend sehr spät wird dann noch „Dead silent“ gezeigt, ein Film über ein Kind, das nicht mehr spricht, weil es Zeuge des Elternmordes wird. Das kann ja leicht mal vorkommen, falls Ihr Nachwuchs mit den Geschenken nicht zufrieden ist. Was gibt’s noch? Alle Talkshows und Seifenserien, die ich auch nicht kenne … Na, das hilft Ihnen jetzt auch nicht weiter. Soll es auch gar nicht. Kucken Sie doch, was Sie wollen. Machen Sie ja sowieso. Jedenfalls gilt folgendes: 1. Frohes Fest. 2. Guten Rutsch. Und zwar für alle. Wegtreten!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen