die wahrheit: Die Pfotenhüter
Kriminalität: Deutschland führt endlich eine Tierpolizei ein.
Für ihre Verhältnisse ungewöhnlich schnell reagierten deutsche Politiker auf eine Neuerung in den Niederlanden: "Notruf 114 für Hollands 'Meerschweinchen-Polizei'", meldete die Nachrichtenagentur dpa kürzlich. Ab sofort patrouillieren 500 Tierpolizisten durch die Grachten … pardon, Straßen unseres Nachbarlandes, was für Aufruhr sorgt auf den Berliner Amtsfluren. Schon in den nächsten Wochen will Deutschland nachziehen und im Eilverfahren hunderte Männer und Frauen für den neuen "Boom-Job" (Bunte) ausbilden.
Während der menschliche Polizei- und Justizapparat halbwegs funktioniert, lässt in der Tierwelt, seit der Domestizierung des ersten Hamsters 1495 im sauerländischen Ort Plettenberg, Recht und Ordnung immer noch auf sich warten. Doch immer mehr Haustiere emanzipieren sich von ihren Besitzern, recken die Stinkepfote dem überraschten Herrchen entgegen und hinterlassen eine Spur von Anarchie und Kot im Wohnzimmer.
"Gestern bin ich mit Elmo noch ganz normal Gassi gegangen, und heute kackt der mir auf den teuren Flokati, als gäbe es kein Morgen", beschwert sich die Hundefreundin Helga Fröhlich aus Wiesbaden. In Essen soll kürzlich ein Katzenhalter von zwei Siamkatzen mit Katzenfutter beworfen und stundenlang im Bad eingesperrt worden sein. Im Kölner Zoo wurden drei Tiger dabei beobachtet, wie sie minutenlang hemmungslos auf eine Gruppe von Schulkindern einfauchten.
Die begleitende Lehrerin erlitt einen schweren Schock und liegt auf der Intensivstation. In der Niederlausitz meldete der Betreiber eines Wildparks, das Rotwild habe die Kontrolle über das Gehege übernommen und seinen Forstwagen in Brand gesetzt. Der Anführer, ein Platzhirsch namens Udo, fordere sofortige demokratische Wahlen. Für was, habe er allerdings nicht geröhrt.
Jetzt hat sich die Bundesregierung ungewöhnlich schnell entschlossen zu handeln - dank dem Vorbild der Oranjes. "Aus Holland kannte ich bisher nur diese behämmerten Holzschuhe und diesen vernagelten Holzkopf Wilders. Aber eine Tierpolizei einzurichten, das ist einfach revolutionär!", begeistert sich Außenminister Westerwelle. Auch wird durch die neu geschaffenen Arbeitsstellen das Modell "Rente mit 67" doch noch realistisch. "Tierpolizist ist nicht nur eine ehrenvolle, sondern auch eine sinnvolle Tätigkeit, um Alterssenilität und sozialer Vereinsamung vorzubeugen", erklärt Ursula von der Leyen. Frührentner und ältere Langzeitarbeitslose sollen von der Couch gescheucht und nach holländischem Vorbild in einem einwöchigen Crashkurs ausgebildet werden.
Doch bereitet vor allem die merkwürdige Sprache den Kursteilnehmern Schwierigkeiten. Der Frührentner Helmut Kleinjohann lässt sich allerdings vom Niederländischen nicht abschrecken: "Viel wichtiger ist, zu erkennen, was da so vor einem steht. Wenn Sie nicht wissen, ob das jetzt ein Elch oder ein Wellensittich ist, der den Besitzer tätlich angreift, können Sie gleich wieder einpacken!" Um eine optimale Identifizierung zu gewährleisten, bekommen alle Tierpolizisten das Fachbuch "Wer macht miau? Wer wau-wau?" für ihre zukünftigen Streifenfahrten ausgehändigt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Preiserhöhung bei der Deutschen Bahn
Kein Sparpreis, dafür schlechter Service
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Housing First-Bilanz in Bremen
Auch wer spuckt, darf wohnen