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Archiv-Artikel

die taz vor 7 jahren über den anfang vom ende des ladenschlusses

Rund 100 Geschäfte in Halle haben am Sonntag geöffnet und ihr gesamtes Sortiment angeboten. Die Stadt hatte dafür nach der gerichtlichen Erlaubnis für fünf Läden grünes Licht gegeben. In Dessau beugten sich die Händler dem gerichtlichen Verkaufsverbot und bedauerten auf Plakaten in Schaufenstern, ihre Kunden nicht bedienen zu dürfen. Der Kaufhof am Alexanderplatz blieb nach gerichtlichen Niederlagen geschlossen.

Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin kritisierte die „üble Ideologie“, dass „wahre Freiheit Sonntagseinkauf“ bedeute. Angesichts der unterschiedlichen Urteile allein in Sachsen-Anhalt forderte der Dessauer Oberbürgermeister Hans-Georg Otto von der Bundesregierung „dringend eine Einheitlichkeit der Handhabung der Gesetze“. Unverständlich sei, dass das Ladenschlussgesetz in den Bundesländern unterschiedlich ausgelegt werde. Otto verwies darauf, dass die Sonntagsöffnung in Leipzig und schon seit gut zwei Jahren in Mecklenburg-Vorpommern kaum für Aufsehen gesorgt hatte. Dabei sei dort doch „offensichtlich derselbe Rechtsbruch“ begangen worden.

Das Verwaltungsgericht in Halle hatte nur fünf Händlern, die einen Eilantrag gestellt hatten, die zusätzlichen Öffnungszeiten gestattet. Die Stadt bewertete dies als Verkaufsgenehmigung für alle und gab grünes Licht. In Dessau hatte das Verwaltungsgericht am Samstagnachmittag einen Eilantrag von 23 Händlern abgelehnt. Sowohl die Stadtverwaltungen als auch die Händler von Halle und Dessau hatten sich auf die Chancengleichheit zu Leipzig an der Grenze zu Sachsen-Anhalt berufen. Seit in der sächsischen Stadt sonntags die Läden geöffnet hätten, seien Zehntausende Kundinnen und Kunden abgewandert.

Justizministerin Däubler-Gmelin sagte in der Welt am Sonntag, es sei ärgerlich, dass clevere Kaufhausmanager und andere Interessierte meinten, sie könnten Gesetze brechen, und dass sie dafür als Vorbilder gefeiert würden. taz, AP, 9. 8. 1999