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Archiv-Artikel

die taz vor 18 jahren über die gefahr einer spaltung der grünen partei

Drei Wochen vor dem Parteitag in Hagen mehren sich die Zeichen, daß die seit langem existierenden Bruchlinien sich bis zur Einsturzgefährdung des grünen Hauses erweitert haben. Selbst gegenüber der gegenseitigen Beschimpfung auf offener Bühne, wie sie Anfang Januar zum zehnjährigen Jubiläum der Partei stattfand, muß die gegenwärtige Entwicklung als bedrohliche Eskalation gesehen werden. Der Bundesvorstand ist bis zur Handlungsunfähigkeit zerrüttet; die Debatten des Gremiums haben oft genug die Qualität einer von beiden Seiten betriebenen geistigen Körperverletzung.

In den letzten Monaten ist nahezu jedes Thema zwischen den Strömungen bis zur Unkenntlichkeit zermahlen worden. Ergebnis: je kleiner die politische Schnittmenge, desto handlungsunfähiger die Partei. Selbst das vor zwei Wochen verabschiedete Papier zur Deutschlandpolitik, das die Konföderation zweier deutscher Staaten propagiert, ist sein Papier nicht wert, weil es den einen nicht weit genug, den anderen schon viel zu weit geht. Es scheint, als ob sich das labile Gleichgewicht der Gründung, als sich die Ökologen mit jenen zusammentaten, die das Gedankengut der ehemaligen Kaderparteien einbrachten, endgültig als eine unverträgliche Gemengelage entpuppt. Ob Realos oder die Parteilinke mehr Verantwortung für die gegenwärtige Entwicklung tragen, ist kaum zu entscheiden. Auch die einst zwischen den Flügeln agierende „Aufbruch“-Gruppe hat jede Integrationskraft verloren. Dabei treibt nicht eine unverträgliche Bandbreite die Partner auseinander, sondern der Mangel einer Solidarität mit der Gesamtpartei. Die Einsicht ist verlorengegangen, daß für die Grünen beide Flügel ihre Funktion haben. Das hat mit Politikfähigkeit nicht mehr viel zu tun. In den letzten Jahren hat es zumindest die Fünf-Prozent-Klausel geschafft, die Grünen zusammenzuhalten. Es spricht für die Tiefe der Zerrüttung, daß auch diese Frage offenbar keine Rolle mehr spielt.Gerd Nowakowski, 14. 3. 1990