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Archiv-Artikel

die taz vor 12 jahren über den Bericht der Bundesregierung zum Tod des RAF-Mitgliedes Wolfgang Grams

Man muß es nur lange genug behaupten, dann wird es schon geglaubt werden. Dies ist die Strategie von Bundesinnenminister Kanther, mittels derer er, acht Monate nach dem Desaster von Bad Kleinen, den Verdacht einer vorsätzlichen Tötung des RAF-Mitgliedes Wolfgang Grams endgültig entsorgen will. In den ersten Berichten der Staatsanwälte und der Bundesregierung hatte es wenigstens noch geheißen, ein sogenanntes „Fremdverschulden“ beim Tod des Grams könne nicht ausgeschlossen werden. Parallel zum abnehmenden Interesse an den Vorgängen in Bad Kleinen wurde dann nach und nach, vor allem seitens Kanthers, die These von der „Wahrscheinlichkeit“ eines Selbstmordes in den Vordergrund gerückt. Mit dem Abschlußbericht hat diese Strategie ihren Schlußpunkt erreicht. Lapidar heißt es: Es war Grams, der sich „in Suizidabsicht selbst tötete“.

Tatsächlich werden die Schlußfolgerungen Kanthers durch keinen der bisher vorgelegten Berichte gedeckt. Wie schon in ihrem Zwischenbericht muß die Bundesregierung auch im Endgutachten einräumen, entscheidende Fragen nicht aufklären zu können.

Die „rückhaltlose Aufklärung“, die Kanther zu seinem Amtsantritt versprochen hat, erweist sich als Manöver, das die in Mißkredit geratenen Sicherheitsbehörden rehabilitieren soll. Wo Aufklärung versprochen, nicht aber durchgesetzt wird, ist Presseschelte angesagt, um kritische Nachfragen zu denunzieren. Daß die Medien die Grenzen ihrer Informations- und Aufklärungspflicht „überschritten“ hätten, wie es aus dem Hause Kanther tönt, ist nur der Versuch, das Versagen auf die angeblich „ungeprüfte“ Berichterstattung der Medien zu projizieren. Wolfgang Gast, taz vom 3. 3. 1994