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Archiv-Artikel

die taz vor 11 jahren:

Nun hat Gysi den Ärger! Wo „Bunte Truppe“ draufsteht, ist doch nur PDS drin (und damit eben auch MfS). Wo nun die Rückkehr nach Bonn geschafft ist, wollen plötzlich fast alle PDS-Parlamentarier Katrin, pardon: Kerstin Kaiser-Nicht nicht mehr. Die Sache mußte so laufen: sich waschen, ohne naß zu werden, ist bekanntlich nicht zu haben. Auf die PDS gemünzt: „Anderer Umgang mit DDR-Biographien“ (gleich Absolution für ehemalige Stasi-Spitzel) und gleichzeitig das Sahnehäubchen eines veritablen sozialistischen Regimegegners (und Stasi-Opfers!), der in der Tradition Clara Zetkins den Bundestag eröffnet – das paßt nicht zusammen.

Nicht nur für Heym ist bei aller Fragwürdigkeit seines Engagements eine IM „Katrin“ als Fraktionsnachbarin eine Zumutung. Daß das Thema Stasi nicht bekömmlich selbst für resistente PDS-Mägen bleiben werde, weiß seit 1990, wer die Partei bei ihrem „Vorwärts immer, rückwärts nimmer“ begleitet. Abwehrstrategien waren seit jeher die Antwort der Partei – mal Harnisch-höhnisch, mal Brie-verbissen.

André Brie alias IM „Peter Scholz“ ist denn auch das Paradebeispiel für den unter den Teppich kehrenden Umgang mit MfS-Biographien von PDS-Repräsentanten. Brie mußte als Landesvorsitzender in Berlin zum Rücktritt gedrängt werden.

Alles entscheidendes „Küchenkabinett“ nennt PDS-Vorstandsmitglied Karin Dörre das Duo Gysi/Brie. Vor einem Monat wurde sie deshalb parteiintern an den Pranger gestellt – auch wegen ihrer Kritik an Kaiser. Nun sind plötzlich alle auf Dörres Kurs. Warum? Weil Gysi und Co. fürchten, daß ihnen über die Bundestagsfraktion der ganze Parteiladen um die Ohren fliegt.

Ulrich Leidholdt, 21. 10. 1994