■ Reisebörse: Postsanft...: ...die taz fliegt drüber
REISEBÖRSE:POSTSANFT...
Die Projektbörse Reisen, dieses Jahr zum zweiten Mal von der Thomas-Morus-Akademie veranstaltet, will Kleinveranstaltern, Projekten und Initiativen, vor allem im sanfttouristischen Bereich, die Möglichkeit zur Selbstdarstellung und zum Austausch geben. Auch dieses Jahr bot das Rahmenprogramm die Möglichkeit, Entwicklungen und neue Ansätze im Tourismus zu diskutieren. Diesmal standen unter anderem der Osttourismus, Schulreisen, Jugendclubs und die Frage nach dem postsanften Tourismus auf dem Programm.
Nachdem die medienwirksamen Auftritte der sanften Touristiker allmählich an Popularität verlieren, der kritische Ansatz in den Chefetagen der Reisekonzerne hängenblieb und die sanften Projekte zu einem Marktsegment unter vielen geworden sind, ist die Frage nach einem postsanften Tourismus auch die Suche nach neuen Innovationsschüben für den Tourismus und dessen Diskussion. So wenig ausgefeilt die Theorie eines sanften Tourismus war, sowenig ausgefeilt präsentierte sich auch der Versuch, Kriterien eines postsanften Tourismus auf der Tagung zu benennen. Deutlich wurde nur, daß der Mensch und nicht der Naturpark wieder in den Mittelpunkt der Debatte rückt. Über Mensch und Masse, Freizeit und Ganzheitlichkeit werden sich Touristiker, Pädagogen und Marketingmanager in nächster Zeit die Köpfe zerbrechen. In Freizeitparks und Urlauberghettos an der Costa Brava und in der Lüneburger Heide werden sich pädagogisch qualifizierte Animateure um die verschüttete Sinnlichkeit der Reisenden mühen. So jedenfalls der Ansatz von Dr. Gisela Wegener-Spöhring in ihren Ausführungen zu „Körper, Sinne und Empfindungen — vernachlässigte Dimensionen einer Reisepädagogik“. Ob diese Wiederentdeckung der Sinnlichkeit in der Lüneburger Heide oder auf Las Palmas stattfindet, ist wirklich egal. Eine Variante, die so das Prädikat „ökologisch wertvoll“ für sich beanspruchen darf: In konzentrierten Zentren suchen die Touristen nach einem kleinen Zipfelchen echter Lebensfreude unter Anleitung von geschultem Personal. Das fremde Land ist allenfalls noch sonnenspendende Kulisse. Das wahre Fremde liegt nämlich in jedem selbst. So mit sich beschäftigt, trampeln die Touristen nicht mehr forsch in die weite Welt hinein. Die touristischen Folgeschäden für Kultur und Natur werden dadurch auf ein Mindestmaß reduziert.
Fazit: Die Probleme des Massentourismus könnten massenhaft gelöst werden, durch Selbstfindung und Kreativitätstraining. Eine Idee, die wunderbare Perspektiven eröffnet: Die skandalösen Bauten, beispielsweise an der spanischen Küste, würden fürderhin von Urlaubern, unterstützt von versierte freizeitpädagogischen Mitarbeitern von Neckermann und TUI, lustvoll bemalt und begrünt. So fände der Urlauber spielerisch sich selbst, und die verschandelte Landschaft würde darüber hinaus in einem neuen, menschlicheren Outfit erstrahlen. Echte Wiedergutmachung. Bleibt nur zu hoffen, daß die Veranstalter die Zeichen der Zeit schnell erkennen. Wir jedenfalls fordern jetzt schon: postsanften Tourismus in die FDGB- Heime des Ostens! Edith Kresta
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