die anderen:
Die französische Zeitung Le Figaro kommentiert das Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland: Eigentlich hätte die französische EU-Präsidentschaft die große Gelegenheit für Europa sein sollen. Aber der Staatspräsident und sein Premierminister sind scheinbar völlig mit ihrer innenpolitischen Reform der Amtszeit des Präsidenten beschäftigt. Das peinliche Schweigen, das Paris den Europa-Vorschlägen Fischers entgegenbrachte, zeigt auch, dass man sich in Frankreich über Kernfragen noch nicht einig ist.
Die bretonische Zeitung Le Telegramme meint zum selben Thema: Seit dem Fall der Mauer hat sich das Gleichgewicht zwischen Frankreich und Deutschland verändert. Wirtschaftlich zwar mächtig, politisch aber eher zaghaft, hatte Deutschland bislang die diplomatischen EU-Initiativen Frankreich überlassen. Dann aber wurde die deutsche Hauptstadt von Bonn nach Berlin verlegt, ins Zentrum Europas – damit hat sich Deutschland eine neue Größenordnung gegeben, auch in diplomatischer Hinsicht. Ein Beispiel dafür ist die Beteiligung im Krieg gegen Serbien. Auch der jüngste Diskurs von Joschka Fischer zu Gunsten eines föderalen Europas zeigt, dass Deutschland im Herzen Europas verankert sein will. An dieser Absicht haben die Franzosen nie aufgehört zu zweifeln.
Zum deutsch-französischen Verhältnis schreibt die italienische La Repubblica: Das Plädoyer des Deutschen für ein föderales Europa erschien wie eine Provokation der Freunde des Nationenstaates. Vor allem der Franzose Chevenement reagierte. Chevenement verurteilt den deutschen Nationalismus nicht. Im Gegenteil, er liebäugelt mit ihm, befürwortet ihn. Er fürchtet, dass er erlischt und mit ihm der französische Nationalismus. Ohne den Antrieb des einen könnte auch der andere in Agonie verfallen. Chevenement ist ein profunder Kenner der deutschen Seele und Gesellschaft. Er weiß, dass die Vorstellung von der Nation heute auf beiden Seiten des Rheins ziemlich ähnlich ist. Aber er weiß auch, dass die Beziehung dazu unterschiedlich bleibt.
The Times berichtet über einen deutschen Kriegsverbrecher, der die irrtümlich an ihn ausgezahlte Rente behalten darf: Der Fall ist bezeichnend für das neue Bemühen um Anerkennung für Kriegsveteranen. Zwar haben SS-Leute oder deren Witwen schon seit Jahrzehnten stillschweigend Renten bekommen, aber bisher wurde nicht öffentlich über das Ausmaß deutschen Leidens während des Krieges diskutiert. Das ändert sich nun. Die Deutschen sind zunehmend bereit, sich selbst als Opfer zu sehen.
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