die anderen:
Der Freitod von Hannelore Kohl hat auch die internationale Presse beschäftigt. Die Times aus London: Sie war eine bescheidene und doch geistreiche Frau, die sich lange damit zufrieden gab, ihren stets sehr sichtbaren Ehemann durch dick und dünn zu unterstützen. Corriere della Sera aus Mailand: Ihr Bestes hat sie vielleicht gegeben, als es abwärts ging für Helmut. Sie versuchte, am Vorabend der letzten, dann verlorenen Schlacht gegen Gerhard Schröder die Popularität ihres Mannes aufzufrischen, indem sie mit ihm durch ganz Deutschland reiste, um ein Kochbuch vorzustellen. [. . .] Dann stand sie ihm in der Stunde seines Falls zur Seite, als der Exkanzler vom Skandal der schwarzen Kassen überrollt wurde. Il Messaggero aus Rom: Deutschland, auch das, das den ehemaligen Patriarchen weniger mag, verbeugt sich mit Respekt. The Guardian aus London: Die Leute werden sich fragen, ob ihr Selbstmord auch etwas mit dem langwierigen Parteispendenskandal zu tun hat, der das Ansehen ihres Mannes erschüttert hat. Immerhin nahm sie sich genau an dem Tag das Leben, als sich Helmut Kohl erneut im Kreuzfeuer seiner Kritiker befand, dieses Mal wegen der Entscheidung eines Gerichts, die Veröffentlichung seiner Stasi-Akten zu blockieren. El País aus Madrid: Die offiziellen Erklärungen zum Selbstmord von Hannelore Kohl mögen vielleicht die Neugier derjenigen befriedigen, die aus der Ferne auf das Ehepaar Kohl blickten. Aber die Leute, die das Ehepaar näher kannten, stellen sich andere Fragen: Hatte Hannelore Kohl neben der Lichtallergie andere Gründe, ihrem Leben ein Ende zu setzen? Als Hannelore noch am Leben war, sagten zwei CDU-Politiker, die das Ehepaar Kohl kannten, der Korrespondentin dieser Zeitung, dass sie die Art und Weise, wie Kohl mit seiner Frau umging, missbilligten.
In Deutschland merkte die Rheinische Post an: Hannelore Kohl hatte keinen schönen Tod. Sie starb allein. Sie hat sich nicht verabschiedet. Wie groß muss die Verzweiflung dieser vom Leben so geprüften Frau, dieser überzeugten Christin, gewesen sein? Der Südkurier meinte: Nein, das kühle Charisma einer Raissa Gorbatschow oder die Zivilcourage einer Danielle Mitterrand besaß sie nicht. [. . .] Sie war die „Frau an seiner Seite“, die sich mit weiblicher Klugheit in diese Rolle bequemte. Eine selbständig agierende „Frau Bundeskanzler“ mit Allüren wäre neben Helmut Kohl kaum denkbar gewesen. Gerade dadurch erwarb sich die gelernte Dolmetscherin Respekt. Es ist eine gute deutsche Tradition, dass eine First Lady weder gefordert noch gefördert wird.
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