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die anderen

Zur Kritik am Krieg in Afghanistan schreibt die Welt aus Berlin: Die Reihe kleinerer und mittlerer Rückschläge der Amerikaner in Afghanistan droht sich zu einer ersten echten Niederlage zu massieren – nicht vor Ort, aber hier in den Köpfen [...] Trotz aller Worte von einem „langen, vielleicht jahrelangen Krieg“ scheinen die allermeisten Politiker und Militärs doch von einem raschen und noch dazu klinisch sauberen Eingriff ausgegangen zu sein. Nun kommt es anders in Afghanistan, schmutziger, langwieriger – und die Zweifel wachsen täglich. Wohlgemerkt, solche Zweifel sind erlaubt. Mehr noch: Sie sind Pflicht, wenn Demokratien zum letzten Mittel greifen, zum Einsatz militärischer Gewalt.

Die USA sind möglicherweise einer Fehleinschätzung erlegen, meint in Österreich Der Standard: Umfragen zeigen, dass nur mehr jeder fünfte US-Bürger an einen raschen Sieg glaubt. Die Ungeduld der Amerikaner wird größer, die Menschen wollen Erfolge sehen. Dazu kommen Aussagen aus höchsten US-Regierungskreisen, die in ihrer Widersprüchlichkeit bemerkenswert sind. Sinngemäß wurde von „Wir wissen nicht mehr weiter“ bis zum trotzigen „Wir siegen sicher“ in den letzten Tagen so ziemlich alles einer Milzbrand-verunsicherten US-Öffentlichkeit verkündet – doch diese Widersprüchlichkeiten nähren den Verdacht, dass die USA in Bezug auf Afghanistan einer dramatischen Fehleinschätzung unterliegen, dass die Rechnung ohne die Taliban gemacht wurde. Es werden Vermutungen laut, dass hinter den US-Bombardements überhaupt keine Strategie steht, dass die größte Supermacht im Grunde noch immer nicht weiß, was gegen Leute vom Schlag eines Ussama Bin Laden zu tun ist: Nicht mehr der löbliche Kampf gegen den Terrorismus dominiere, sondern ein archaisches Rachebedürfnis.

Die Financial Times in Großbritannien warnt vor einem Wanken: In der kommenden Woche wird George W. Bush einen neuen diplomatischen Vorstoß unternehmen, einen Konsens zwischen den Nachbarn Afghanistans einschließlich Pakistans herzustellen. Der US-Präsident steht vor einer schweren und dringlichen Aufgabe. Denn solange nicht das Aussehen einer künftigen Regierung Afghanistans klarer ist, wird die militärische Kampagne möglicherweise nicht mit voller Kraft betrieben. Diese Schwierigkeiten sollten offen eingeräumt werden. Aber sie sollten keine Entschuldigung für ein Wanken bei der Unterstützung der gemeinsamen Militäraktion sein. Unentschlossenheit wäre jetzt gefährlich – für die Völker Afghanistans ebenso wie für den demokratischen Westen.

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