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die anderen

Politiken aus Kopenhagen meint zum Rücktritt der niederländischen Regierung wegen Srebrenica: Es geschieht nicht oft, dass Politiker durch Mut beeindrucken. Umso positiver wirkt der Entschluss der niederländischen Regierung zum Rücktritt nach dem vernichtenden Untersuchungsbericht, in dem Politiker wie Militärs für die Entsendung leicht bewaffneter niederländischer Soldaten zum Schutz der bosnischen Stadt Srebrenica kritisiert wurden. Die von den UN als sicher deklarierte Enklave wurde 1995 von serbischen Truppen überrannt, die danach vor den Augen der niederländischen Soldaten 8.000 Menschen umbrachten. Srebrenica wurde zum Symbol für das Versagen der UN und des Westens in Exjugoslawien und zeigte, dass man Völkermord vor den Augen der Welt begehen kann. Sicher stehen ohnehin am 15. Mai Wahlen an. Aber wenn man daran denkt, wie andere westliche Politiker an ihren Posten kleben bleiben, zeigt sich mit dem vorzeitigen Rücktritt in Schimpf und Schande eine selten gewordene Verantwortlichkeit.

Der Standard aus Wien hält dagegen: Es ging nie um die niederländische Schuld für die Opfer von Srebrenica, sondern stets um eine Frontbegradigung im Endspurt des Wahlkampfes: Schaut her, so moralisch und verantwortungsvoll handeln wir Politiker, uns kann keiner etwas vorwerfen; deshalb müsst ihr uns wieder wählen. Trotzdem ist Kok, ein bescheidener Mann aus bescheidenen Verhältnissen, nun gescheitert – und mit ihm sowohl sein Modell der Konsensdemokratie als auch die Moral in der niederländischen Politik.

The Daily Telegraph kommentiert die Nahostmission von US-Außenminister Colin Powell: Die einzige Supermacht der Welt hat sich selbst als ohnmächtig gezeigt. Das kann ihre Feinde nur ermutigen. Vielleicht handelte Präsident Bush gegen seine bessere Ahnung, als er den Aufforderungen des britischen Premiers Tony Blair und des eigenen Außenministers folgte, einzugreifen. Powells schmachvolles Versagen hat dem US-Ansehen schwer geschadet. Die Regierung sollte zu ihrer früheren Politik in Sachen Israel und den besetzten Gebieten zurückkehren und die Vorbereitungen zum Sturz Saddam Husseins verstärken.

Nowyje Iswestija aus Moskau schreibt zum selben Thema: Die Vermittlungsmission des obersten US-Diplomaten im Nahen Osten endete als totaler Reinfall. Seine nebulösen Worte von einer neuen Friedenskonferenz sowie die Unzufriedenheit der arabischen Welt mit seinem Wirken hat den Rückhalt der gemäßigten Kräfte in der Bush-Administration weiter geschmälert.

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