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Archiv-Artikel

die anderen zum Treffen von US-Präsident George W. Bush mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin

Die Times aus London schreibt: Nach ihrem ersten Treffen in Slowenien vor vier Jahren hatte George W. Bush berichtet, dass er in die Augen von Präsident Putin schaute und die Seele eines Mannes gesehen habe, dem er trauen kann. Gestern trafen sie sich in der Slowakischen Republik und Bush fand die Augen Putins beträchtlich blickdichter. Das frühere Vertrauen, geformt von Jovialität und naiven Hoffnungen auf sich annähernde Interessen, ist zu Vorsicht und Enttäuschung auf beiden Seiten geworden. Die USA fürchten, dass Putin sich als autoritär entpuppt, mit wenig Zeit für eine pluralistische Demokratie. Die Russen wiederum stoßen sich an dem, was sie als Einmischung der USA in ihre inneren Angelegenheiten und in die der früheren Sowjetrepubliken sehen, und beschuldigen die USA doppelter Standards hinsichtlich des Terrorismus.

Die Basler Zeitung kritisiert Bush: Von einem Präsidenten der USA, der sich die Ausbreitung der Demokratie in aller Welt auf die Fahne geschrieben hat, hätte man gegenüber Russlands zunehmend autoritärem Präsidenten schon etwas mehr erwarten dürfen als George W. Bushs laue Andeutung von Kritik. Die tat Wladimir Putin umso weniger weh, als der US-Präsident seinem russischen Kollegen einen Freipass für seine Politik ausstellte. Denn Bushs Formulierung, er werde auch in den nächsten vier Jahren einen „konstruktiven Dialog“ mit seinem Freund Wladimir Putin pflegen, bedeutet nichts anderes. Der Kreml-Herr seinerseits schaffte das raffinierte Kunststück, ein Lippenbekenntnis zur Demokratie mit der faktischen Absage an die Demokratie und ihre Werte zu verbinden.

Der Standard aus Wien sieht auch Folgen für den Nahost-Friedensprozess: Schon vor dem Treffen in der Slowakei war zu erwarten, dass keine der beiden Seiten an einer weiteren Verschlechterung der Beziehungen Interesse hat. Russland ist nach wie vor eine atomare Großmacht, auch wenn es derzeit vor allem mit sich selbst beschäftigt ist. Falls es den USA gelingen sollte, die derzeit optimistische Stimmung in Nahost tatsächlich in Friedensvereinbarungen zu konkretisieren, könnte der Einfluss Russlands auf arabische Länder wie Syrien gebraucht werden.