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Archiv-Artikel

die anderen über das europa der krämerseelen:

Die Pariser Zeitung Le Monde meint dazu: Zu diesem Schritt gibt es drei Dinge zu sagen. Erstens, dass die Erweiterung, allen schönen Erklärungen zum Trotz und so gerechtfertigt sie auch aus politischer Sicht sein mag, Kosten verursacht, die von den reichsten Europäern getragen werden müssen. Zweitens, dass die Solidarität, die zu Beginn die Basis des europäischen Aufbaus bildete, immer mehr schwindet, je größer die EU wird. Das Europa der Krämerseelen gewinnt die Oberhand über den Gemeinschaftsgeist. Die dritte Bemerkung schließlich betrifft die Ziele der EU und die Mittel, die die Regierungen bereit sind, ihr zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig zu fordern, dass Europa auf gleichberechtigter Ebene mit den Vereinigten Staaten verhandelt und dann wegen einiger Prozente eines ohnehin schon lächerlichen Haushalts zu feilschen – das sind zwei politische Ansätze, die sich widersprechen.

Die Salzburger Nachrichten kommentieren: Rache ist süß, werden sich die sechs Regierungschefs gedacht haben, als sie ihren finanzpolitischen Drohbrief nach Brüssel schickten. Trotz bevorstehender Erweiterung und zusätzlicher Aufgaben wie gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik, Grenzsicherung, große Verkehrsprojekte oder überregionale Forschungsvorhaben wollen sie in Zukunft keinen Eurocent mehr ausgeben, als sie dies jetzt schon tun. Das Motto der Strafaktion bleibt unausgesprochen, ist aber selbst mit den dicksten Wollhandschuhen noch greifbar: Sollen die Starrköpfe aus Polen und Spanien doch sehen, wo sie bleiben ohne die großzügige Unterstützung aus den reichen EU-Ländern.

Die Volkskrant wertet: Die tiefere Ursache des Konflikts liegt in der veränderten Haltung Deutschlands. Berlin findet, dass sein Gewicht im neuen Europa zum Ausdruck kommen muss. Und Bundeskanzler Schröder scheut nicht davor zurück, eigene Interessen zu verfolgen, auch wenn dies auf Kosten der europäischen Integration geht. Einige feurige Europäer sehnen sich vielleicht nach den Tagen von Helmut Kohl zurück. Der vorherige Bundeskanzler sah in Europa eine „Sache von Krieg und Frieden“. Er achtete auf die Belange der kleinen Länder und war bereit, Konflikte über die europäische Integration mit deutschem Geld zu lösen. Schröders „Ellenbogendiplomatie“, wie sie von deutschen Kritikern genannt wird, hat bei Nachbarn Argwohn geweckt. Dort war man ein anderes Deutschland gewöhnt. Aber dieses Deutschland kommt nicht mehr zurück, selbst wenn die traditioneller denkenden Christdemokraten an die Regierung kommen.