der wochenendkrimi : Bizarr blühendes Provinzdickicht
„Tatort: Das ewig Böse“, So 20.15 Uhr, ARD
Keksdynastien. So was gibt es nur in Münster. Genauer gesagt: im Münsteraner „Tatort“. Die Keksdynastie heißt dort Stettenkamp, wohnt in einer Schlossanlage und lagert in den Kellergewölben neben düsteren Familiengeheimnissen Tonnen von Sprengstoff. Wobei dieser Sprengstoff eigentlich nur das Pulver zu einem Fußbad ist, das in großen Mengen eben ein explosives Potenzial entwickelt. Dieses gefährliche Fußbadpulver stellt nun eine Verbindung her zwischen dem Backwarenclan und einem örtlichen Apotheker. Und der Sohn dieses Apothekers ist genau in dem Moment beim Drachenflug im tödlichen Sturzflug in eine picknickende Kleinfamilie gekracht, als die junge Tochter der Stettenkamps bei einer Zaubernummer für eine Wohltätigkeitsgala unter Hypnose verraten hat, dass der Tod des Großvaters einige Monate zuvor kein natürlicher war.
Können Sie folgen? Falls nicht, ist das eigentlich auch völlig egal. Die Münsteraner „Tatorte“ schaut man ja schon lange nicht mehr an, um sich an einer klugen Handlung oder präzise ausgearbeiteten psychologischen Profilen zu delektieren. Man ist sich nicht mal sicher, ob die Autoren immer den Überblick über das Geschehen wahren. Sinn und Zweck ist es offensichtlich, möglichst viele Anomalien und Absonderlichkeiten ins Täterrätsel zu filtrieren. Das könnte schnell anstrengend werden. Doch mit Kommissar Thiel (Axel Prahl) und dem Pathologen Professor Boerne (Jan Josef Liefers) haben sich im Laufe der Jahre zwei Figuren entwickelt, die auf wirklich erheiternde Weise durch den obskuren Kleinstadtkosmos führen.
In „Das ewig Böse“ (Buch und Regie: Rainer Matsutani) wird dieses Prinzip – trotz eines bedenklichen Abdriftens des Plots ins Inzestuöse und einigen dicken dramaturgischen Patzern – mustergültig vorgeführt: Der einheimische Boerne erklärt mit spitzer Zunge die psychosozialen Verstrickungen der Stettenkamps und wird im rechten Moment vom Keksadel auf seinen Platz in den mittleren Rängen der Münsteraner Hierarchie verwiesen; der zugezogene Thiel muss derweil seinem verkifften Vater hinterherrennen, weil der sein Konto bis auf den letzten Cent abgeräumt hat. Der Prolet aus Hamburg-St. Pauli und der Münsteraner Snob schlagen uns eine Schneise durch das bizarr blühendste Provinzdickicht.
Auch wenn der kriminalistische Wildwuchs undurchdringlich erscheint – man folgt den beiden inzwischen gerne blind. Gegen besser ausgearbeitete Drehbücher hätten wir natürlich trotzdem nichts einzuwenden.
CHRISTIAN BUSS