der rechte rand : Polizei mit langer Leitung
Die Polizei erkennt Straftaten mit rechtsradikalem Hintergrund oft erst mit Verspätung als solche an. In der vergangenen Woche musste das Bundesinnenministerium die Fallzahlen für 2006 stark nach oben korrigieren: von zunächst 12.240 als rechtsextrem und fremdenfeindlich registrierten Taten auf 18.100 Straftaten, darunter fast 1.000 Gewalttaten. Kaum ein Tag vergehe ohne Übergriffe, sagte Jörg Ziercke, der Chef des Bundeskriminalamts. Im Norden hat die Polizei gerade in zwei Fällen betont, das Täter und Opfer unter Alkoholeinfluss in Streit geraten seien, obwohl die Umstände auf politische Motive deuten.
Braunschweig, 24. August: Ein 49-jähriger Ghanaer auf dem Fahrrad wird von zwei Männern angegriffen. Ein Ehepaar verhindert Schlimmeres. Das Opfer wie die Angreifer gehörten der Drogenszene an, erklärt die Polizei. Der jüngere Angreifer habe zwei Promille gehabt. Später räumt sie ein, dass ein Täter wegen Körperverletzung verurteilt und wegen „rechter Parolen“ bekannt sei. Das Opfer soll die Angreifer als „Nazischweine“ betitelt haben. Nun wird ein „fremdenfeindlicher Hintergrund“ nicht mehr ausgeschlossen.
Brinjahe, 14. Juli: Frühmorgens finden Besucher nahe des „Freudenberger Waldfestes“ einen schwer verletzten 17-Jährigen. Im Krankenhaus erliegt er seinen Kopfverletzungen. Die Kieler Polizei verkündet, dass der Täter der Bundeswehr angehöre und beide Männer unter Alkoholeinfluss aneinander geraten seien. Der Soldat, der schon „mehrfach polizeilich in Erscheinung trat“, habe den ihm flüchtig Bekannten mit einer Eisenstange geschlagen.
Eine Antifa-Initiative behauptet dagegen, der Täter sei ein bekannter Neonazi, das Opfer habe früher der rechten Szene angehört. Sie vermutet einen Racheakt. Zu diesem möglichen Tathintergrund möchte die Staatsanwaltschaft nichts sagen. „Die Ermittlungen laufen noch“, heißt es. ANDREAS SPEIT