piwik no script img

Grüne und LinksparteiBis zur Selbstaufgabe

Daniel Bax

Kommentar von

Daniel Bax

Die Grünen werden für ihre Mittigkeit abgestraft, die Linke profitiert davon. Den Schuss scheinen die Grünen bis heute nicht gehört zu haben.

Ein Herz für (die) Mitte, alternativ sein ist die Vergangenheit: die Berliner Landesvorsitzenden Nina Stahr und Philmon Ghirmai Foto: Annette Riedl/dpa

D er Verlust war ein Schock. Ausgerechnet in ihrer Hochburg, dem symbolträchtigen Wahlbezirk Kreuzberg-Friedrichshain – Prenzlauer Berg Ost, holten die Grünen bei der Bundestagswahl 2025 zum ersten Mal seit über 20 Jahren kein Direktmandat. Berlins Grünen-Chef Philmon Ghirmai sprach von einem „herben Schlag“, und Jürgen Trittin sah sogar das „Ende von Kreuzberg“ heraufdämmern, weil der Linke-Kandidat Pascal Meiser dort am Ende bei den Erststimmen vorne lag. Zugleich gewannen die Grünen in der Hauptstadt aber erstmals drei Direktmandate in anderen, bürgerlichen Stadtteilen. Man kann das als Zeichen sehen: Die Grünen sind in die besserverdienende Mitte gerückt. Dafür haben sie Teile ihrer ehemaligen Stammmilieus verloren.

Kreuzberg war lange Zeit fest mit dem Namen Hans-Christian Ströbele verbunden. Ströbele war gegen Aufrüstung, Waffenexporte und Bundeswehreinsätze im Ausland, für eine Vermögensteuer, für die Trennung von Amt und Mandat und dafür, den Verfassungsschutz abzuschaffen. Von solchen Zielen haben sich die Grünen längst entfernt. Sie regieren dagegen in mehreren Bundesländern inzwischen relativ geräuschlos mit der CDU zusammen.

Auch ihre Verbindung zur Jugend haben die Grünen verloren. Nicht nur trat der komplette Vorstand ihrer Jugendorganisation im Herbst 2024 geschlossen zurück und aus der Partei aus – zwei ehemalige Vorsitzende riefen später sogar zur Wahl der Linken auf. Und waren Grüne und FDP 2021 unter Erstwählerinnen und Erstwählern noch am beliebtesten, so war die Linke knapp vier Jahre später unter jungen Leuten mit Abstand am erfolgreichsten. Vor allem junge Frauen gaben ihr ihre Stimme.

Die Linke hat von der Enttäuschung über die Ampelparteien profitiert. Dass die Grünen unter Robert Habeck so stark in die Mitte gerückt sind, in der Ampelkoalition so viele Abstriche machten und sich trotz alldem noch zu einer Koalition mit Friedrich Merz bereit zeigten, hatte Folgen. Schon 2022 stimmten die Grünen im Bundestag einem umstrittenen 100-Milliarden-„Sondervermögen“ für die Bundeswehr zu.

Linken-Chef Jan van Aken wirkt ein wenig wie Joschka Fischer in jung oder Robert Habeck in frech

Dann wurde in Nordrhein-Westfalen der Weiler Lützerath von der Polizei geräumt, um den umstrittenen Braunkohleabbau in der Region auszuweiten. Er wurde zu einem Symbol für den Kampf gegen den Klimawandel und für den vermeintlichen Verrat der Grünen, die den Kompromiss mit dem Energiekonzern RWE als Teil der Landesregierung mit ausgehandelt hatten.

Im Sommer 2023 stimmten die Grünen dann den Asylrechtsverschärfungen der Europäischen Union zu – natürlich, wie immer, mit „Bauchschmerzen“. Die Haltung der Grünen und ihrer Außenministerin Annalena Baerbock zu Israels Krieg in Gaza trug zur weiteren Enttäuschung bei: Sie dürfte der Grund dafür sein, dass die Linke auch bei muslimischen Wählerinnen und Wählern mit 29 Prozent einen Spitzenwert erzielte. Hätten sich die Grünen weniger staatstragend gegeben und nicht bis zuletzt auf eine mögliche Koalition mit Merz spekuliert, wären sie womöglich weiter als Gegenpol zu Union und AfD empfunden worden.

Das Logo der taz: Weißer Schriftzung t a z und weiße Tatze auf rotem Grund.
taz debatte

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.

Dass Robert Habeck kurz vor der Wahl auch noch einen Zehn-Punkte-Plan für einen härteren Kurs in der Migrationspolitik präsentierte, war ein strategischer Fehler. Die Grünen gaben sich selbst bei ihren Kernthemen Klima und Migration fast bis zur Selbstaufgabe kompromissbereit. Damit fielen sie als Hoffnungsträger aus und wurden selbst als Teil des allgemeinen Rechtsrucks empfunden.

In der Schlussphase des Wahlkampfs appellierten Habeck und Baerbock sogar an junge Wählerinnen und Wähler, doch lieber für eine Partei zu stimmen, die bereit sei, Verantwortung zu übernehmen, als für eine andere – gemeint war offensichtlich die Linke. Das ging nach hinten los. Heidi Reichinnek dagegen empfahl sich mit ihrer Brandrede im Bundestag und auf Tiktok als Identifikationsfigur für wütende junge Frauen, während Jan van Aken mit freundlicher Ruppigkeit daran erinnerte, wie rebellisch die Grünen in ihrer Anfangszeit auch einmal waren. Er wirkte ein wenig wie Joschka Fischer in jung – oder Robert Habeck in unangepasst und frech.

Linke gesamtdeutsch, Grüne westdeutsch

Die Linke ist seit 2025 eine neue Partei geworden, die Zahl ihrer Mitglieder hat sich mehr als verdoppelt. Sie ist jünger, weiblicher und endlich gesamtdeutsch, während die Grünen eine überwiegend westdeutsche Partei geblieben sind. Der Erfolg stellt die Linke aber auch vor ein Dilemma. Denn einerseits verdankt sie ihn vor allem jungen, progressiven Milieus in den Großstädten. Andererseits möchte sie Leute zurückholen, die sie an das BSW und an die AfD verloren hat. Will sie die Wählerinnen und Wähler halten, die von den Grünen und der SPD zu ihr gewechselt sind, darf sie bei Klimaschutz, Einwanderung und gesellschaftlicher Vielfalt keine Kompromisse machen.

Will sie Leute vom BSW zurückgewinnen, muss sie sich aber auch beim Thema Aufrüstung und Waffenlieferungen treu bleiben. Das wird nicht leicht. Vor allem aber muss die Linke aufpassen, bei Reizthemen wie ihrer Haltung zu Israel nicht wieder in alte Grabenkämpfe zurückzufallen. Denn der Zank in außenpolitischen Fragen hat viele potenzielle Wählerinnen und Wähler schon immer am meisten abgeschreckt.

Was die Linke beruhigen kann: Die Grünen machen auch ohne Annalena Baerbock und Robert Habeck keine großen Anstalten, wieder stärker nach links zu rücken. Zwar will Felix Banaszak sie zur „führenden Partei der linken Mitte“ machen und etwas sozialer aufstellen, wie er sagt. Aber Partei-Rechte wie Cem Özdemir warnen zugleich vor einem „Linksruck“, und zum mutmaßlichen Genozid in Gaza haben die Grünen bis heute keine angemessenen Worte gefunden. Da kann sich die Linke zurücklehnen: Von diesen Grünen droht ihnen keine Gefahr. Kreuzberg und ähnliche ehemalige Grünen-Hochburgen dürften ihnen auch in Zukunft weiter sicher sein.

Gemeinsam für freie Presse

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Alle Artikel stellen wir frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade in diesen Zeiten müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass kritischer, unabhängiger Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Themenchef im Regieressort der taz. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Am 19. November 2025 erscheint sein neues Buch "Die neue Lust auf Links" über das Comeback der Linkspartei im Goldmann Verlag.
Mehr zum Thema

24 Kommentare

 / 
  • Aufgrund des hohen Aufkommens an Kommentaren, haben wir die Kommentarfunktion temporär eingeschränkt. Wir bitten um Ihr Verständnis. Taz Kommune.

  • Wie "mittig" die Grünen angeblich sind, haben sie in der Ampel unter Beweis gestellt:



    Habeck galt unter den Grünen als "gemäßigt", und seine Politik war den meisten Wechselwählern deutlich zu radikal.

  • Danke für die wunderbar prägnante Beschreibung des Abstiegs der Grünen zu einer reaktionären Mitte-Rechts Partei.

    Dem ist nichts hinzuzufügen.

    Christian Ströbele und Petra Kelly werden sich derweil verwundert im Grab umdrehen. Sie hatten einst in der GAL erfolgreich an der Schaffung einer visionären, echten politischen Alternative gearbeitet.

    Wichtig an dieser Stelle: Die Selbstzerstörung der Grünen hat eine Wählergruppe heimatlos gemacht, die sich für eine fortschrittliche Politik beim Klimawandel, Umweltschutz, Verkehr, Landwirtschaft, Demokratie, Menschenrechte und Sicherheit (uvam) einsetzen.

    Diesen WählerInnen kann die Linke sicherlich gute Angebote machen.

  • "Linken-Chef Jan van Aken wirkt ein wenig wie Joschka Fischer in jung oder Robert Habeck in frech"



    Fischer und Habeck waren Politiker mit Angeboten und vor allem Aussagen zu allen Themen, so wie man es von Führungspolitikern erwartet.



    Jan van Aken äußert sich hingegen nur zu Themen die in sein Portfolio passen.



    In der Elefantenrunde nach der diesjährigen Bundestagswahl fragte Habeck van Aken ganz direkt, wie denn seine Position sei zur Bundeswehr.



    Antwort? Keine.



    Die Linke ist letztes Jahr die Betonköpfe des BSW losgeworden und hat sich schlau gewandelt zur Partei 'aus der Bubble, für die Bubble'.



    Damit besetzt Die Linke ein verwaistes Feld. So wie die AfD am rechten Rand hat Die Linke am linken Rand keine Konkurrenz mehr, da die Grünen zweifelsohne gen Mitte gerutscht sind.



    Ob das etwas mit "Selbstaufgabe" zu tun hat weiß ich nicht. Ich denke vielmehr, die Grünen wollen nach Habeck und Baerbock weiterhin das Kanzleramt erobern. Dafür müssen sie aber in die Mitte, Realpolitik betreiben. Heißt, Wechsel des Wählerklientel.



    Das die alten Wähler nun abgesprungen sind bevor neue aus SPD und Union gewonnen werden konnten, ist dem Umbau im laufenden Betrieb geschuldet. Ob es klappt 🤷

    • @Saskia Brehn:

      Tja Frau Brehn,



      nur ist es überhaupt voll umfänglich krass rein gar nicht wahr, DIE LINKE oder Jan van Aken äussere sich nicht zu Bundeswehr, Wehrpflicht und Verteidigungspolitik.

      Offensichtlich gefällt Ihnen nur nicht, wie sich DIE LINKE und Jan van Aken zur Bundeswehr, Aufrüstung und Kriegspolitik, zu Verteidigung von Demokratie, Rechts- und Sozialstaat äussern.



      Womit Sie einen ältesten Kommunikationstricks anwenden, dessen Ziel es ist, die rationale, sachliche, inhaltliche, historisch redliche Auseinandersetzung nicht führen zu müssen.

      www.die-linke.de/s...ffenen-generation/

      • @Elise Hampel:

        Vielen Dank für genau diesen Link - er unterstreicht meine These nur noch mehr.



        Die Linke ist dagegen. Sehr schön, das wissen wir alle.



        Wie aber möchte die Partei der realen Bedrohung durch Russland begegnen?



        Und wie dem eventuellen NATO-Ausstieg der USA?



        Realpolitische Lösungsangebote?



        Null. Nur dagegen ohne Gegenvorschlag. Bravo.



        Fabian Kösters Interview hat da einmal mehr die völlige Planlosigkeit der Linken zur Schau gestellt



        youtu.be/-xvV5JNdb...i=NrPEpNlHq14lbsYL

    • @Saskia Brehn:

      Sie unterliegen dem selben Irrtum wie die grünen Parteistrategen:



      Man muss sich nur komplett an das konservative, bürgerliche Milieu anpassen, dann gewinnt man auch Wahlen.



      Unsere Gesellschaft besteht aber nicht nur aus konservativen, wohlhabenden Bürgerlichen.



      Ohne eine Stammwählerschaft, gewinnt man auf Dauer keine Wahlen. Da können die Grünen sich mal bei der SPD erkundigen, die spätestens mit ihrer Performance in der Merzregierung die letzten Reste ihrer Stammwählerschaft vergraut haben.



      Für eine Stammwählerschaft braucht man Profil, gerade wenn man sich außerhalb des konservativen Bürgertums bewegen möchte.



      Und falls die Strategie sein soll, das wohlhabende konservative Bürgertum zu erobern: dort hat sich die Union über Jahrzehnte etabliert. Dort signifikante Zugewinne zu erreichen ist gerade für die Grünen ein sinnloses Unterfangen. Denn Konservative mögen keine Veränderung. Das ist deren Identität!

      • @TeeTS:

        "Unsere Gesellschaft besteht aber nicht nur aus konservativen, wohlhabenden Bürgerlichen."



        Richtig. Aber mehrheitlich.



        Die Grünen wenden sich doch seit Joschka Fischer schon der Mitte zu - vom Steinewerfer zum Anzugträger - was er im Kleinen vollzogen hat, haben die Grünen im Großen vollzogen.



        Und ich sehe da auch das größte Potenzial, gerade wenn die Union immer weiter rechts blinkt.



        Realo-Grüne a la Baden-Württemberg. Da wird ordentliche Politik gemacht, sachlich ohne ideologische Verblendung. Habeck war da schon ganz gut auf Kurs, es zeigte sich nur während seiner Ampelzeit, dass er dann doch mehr sprachlich als wirtschaftlich begabt war.



        Baerbock war der gleiche Kompetenzausfall.



        Die Grünen müssen nur mal ordentliche Führungskräfte ans Zepter bringen, dann geht's wieder aufwärts.

    • @Saskia Brehn:

      Noch was:



      Realpolitik ist der Bau von Windkraftanlagen, Wohnungen, ÖPNV, Schulen und Altersheimen.

      Alles andere sind realitätsverweigernde neoliberale Fantasien.

    • @Saskia Brehn:

      „ Heißt, Wechsel des Wählerklientel.“

      So einfach ist das? Für mehr Macht gibt man sämtliche Positionen auf? Verprellt alle WählerInnen, die diese Partei demokratisch legitimiert haben?

  • Ich bin keine Expertin. Meiner Meinung und meinem „Geschmack“ nach driften CDU/SPD in der Bundesregierung immer weiter nach rechts.



    Es muss aber eine Partei geben, die das Loch in der Mitte füllen kann. Und das können nur die Grünen. Das Thema Umweltschutz und Klimawandel darf kein reines linkes Thema bleiben. Es muss in die Mitte der Gesellschaft.



    Abgesehen davon ist es die Aufgabe der Linken, Stimmen vom BSW und AFD zurück zu holen. Meiner Erinnerung nach sind laut Zahlen die StammwählerInnen der Grünen der Partei bis heute weitestgehend treu geblieben. Ich halte es für einen Fehler, die Linke gegen die Grünen auszuspielen, denn viele hoffen auf eine Links/Grüne Koalition in der Zukunft.

  • Die Grünen haben 12%, die LInke 11%. Wieviel kann man denn gewinnen wenn man nach links rückt? 2% oder 3%? Wieviel verliert man dann rechts an SPD oder CDU? 4% oder 5%? Oder mehr? Die Ausrichtung der Grünen sollte sich doch nach den Erfolgsaussichten, nicht nach Ideologie richten. Ich würde den Grünen eher raten hre Fachkompetenz z.B. in den Bereichen Energie, Wirtschaft, Aussenpolitik, Innenpolitik, Verteidigung usw aufzubauen um Wähler überzeugen zu können. Bisher war diese Kompetenz eher minimal, wie Annalena und Robert gezeigt hatten. Wenn die Grünen weiter nach links gehen dass schätze ich mal verzwergen sie sich weiter.

  • Die Grünen waren bei uns in der "westdeutschen Provinz" schon immer von besserverdienenden Akademikern* getragenes Projekt. Die Erfolge wurden dort auch mit Sachthemen, nicht unbedingt mit Personen oder Krawall erzielt.

    *) verbeamtete Lehrer, Ärzte, etc.

  • Die Stimme aus der Echokammer: Ausgerechnet Kreuzberg als Referenz für den Rest der Republik! Man muss wohl Berlin nie wirklich verlassen haben, um auf solche Ideen zu kommen. Dass das aber bundesweit bestenfalls ein Nullsummenspiel ist, zeigt nun wirklich jede Umfrage. Cem Özedemir, so er denn überhaupt eine Chance haben will, tut jedenfalls gut daran, solche Vorschläge komplett zu ignorieren. In BW hält man es eher mit der Warnung von Boris Palmer bei Berlin-Besuchen ("Vorsicht! Sie verlassen den funktionierenden Teil Deutschlands"). Mit wirtschaftspolitischen Ideen direkt aus SED-Zeiten stößt man dort eher auf Skepsis. Wieviel Realitätssinn in diesen ganzen Vorschlägen stecken, offenbart allein schon die Vorstellung, ausgerechnet mit dem von Bax skizzierten Programmatik Wähler von AfD/BSW zurückholen zu können. Mit der Bereitschaft, die Ukraine Putin auszuliefern, mag das ja noch gelingen (AfD/BSW sagen's halt nur etwas deutlicher), aber auf den Themenfeldern Migration und Identitätspolitik zeigen ebenfalls alle Umfragen, dass deren Wähler deutlich anders ticken und genau das nicht wollen.

  • "In der Schlussphase des Wahlkampfs appellierten Habeck und Baerbock sogar an junge Wählerinnen und Wähler, doch lieber für eine Partei zu stimmen, die bereit sei, Verantwortung zu übernehmen, als für eine andere – gemeint war offensichtlich die Linke."

    "Verantwortung" ist doch nur ein Synonym für die Nähe zu Konzernen und zum Militär. Die maskuline Außenpolitik von Baerbock und die Anbiederung an "die Wirtschaft" des ökonomisch völlig frei drehenden Habeck (Motto: "Insolvenz gibt es nicht.") wurde allerdings durch top sitzende Anzüge und Frisuren überkompensiert.

    Das fehlt bei ihren Nachfolger:innen auch noch, aber die neobürgerliche Muffpolitik ist geblieben. Nichts von Frische, nichts von Kritikfähigkeit, nicht von Moral oder Charakter.

    "Linken-Chef Jan van Aken wirkt ein wenig wie Joschka Fischer in jung oder Robert Habeck in frech."

    Schlechtes Omen. Die Vorbilder sollten sich die Linken gewiss nicht bei diesen beiden suchen.

  • Wären die Grünen dagegen linker, würden sie von anderen für ihre Linkheit kritisiert.

    Das eigentliche Problem ist doch, dass die Partei aus sehr weit auseinander liegenden Flügeln besteht und das immer wieder zu Zerreißrisiken führt.

    Und seit wann ist "Migration" ein grünes Kernthema?

    • @DiMa:

      Also mal mindestens die ganze Ampel über hat bei dem Thema kaum eine Partei so viel zur Entsachlichung und Emotionalisierung des Themas beigetragen wie die Grünen. Daher, ja, ist kein Kompetenzbereich aber "symbolpolitisch" natürlich stets willkommen, um die anderen von dem Grünen Bessermenschentum zu überzeugen.

  • Für mich ist schwer nachvollziehbar, dass insbesondere junge Frauen die Linke wählen. Ich kann auch nicht verstehen, dass Leute wie Frau Reichinnek oder Herr von Aken so eine Zugkraft entwickeln können. Ich habe mal versucht, beiden wirklich zuzuhören und fand es einfach nur unerträglich.

    Aber gut, die Linke ist für mich ohnehin keine wählbare Partei und offenbar finden diese Leute für viele den richtigen Ton. Solange die Linke den Grünen die Stimmen wegnehmen ist ja auch nicht viel passiert. Aber dennoch möchte ich den Appell an die Linken-Wähler richten, dass sie schon auch genau hinhören, was ihre neuen Ikonen von sich geben. Da ist definitiv viel schwieriges Zeug dabei.

  • Was gerne vergessen wird, der grüne Weg in die Mitte begann schon mit Joschka Fischer, der in Milosevic den neuen Hitler entdeckte (taz.de/!1293405/) und damit den grünen Antimilitarismus endgültig beerdigte. Kurz vorher hatten die "Realos" die Ökosozialisten aus der Partei weggebissen. Übrig blieben diejenigen, die in der Politik Karriere machen wollten. Seitdem zeichnet die Grünen nur noch der unbedingt Wille zum "Mitregieren" aus. Das rechtfertigt alle sogenannten Kompromisse. Und wenn man dann als Parteispitze mit bitterer Leichenbittermiene von "Bauchschmerzen" spricht, dann folgt die heutige grüne Basis diesen Politik weitestgehend brav.



    Als Löwe gestartet, als Bettvorleger geendet und dabei noch schnell seinen endgültigen Frieden mit dem umweltzerstörenden Kapitalismus gemacht. Es handelt sich halt doch nur um eine grün angemalte FDP.

  • Das ist wohl eine Frage des eigenen Standpunktes. Mir sind die Grünen viel zu links geworden. Das Lieferkettengesetz hat gezeigt das sie nichts von Wirtschaft verstehen.

  • Das erinnert, nur spiegelverkehrt, an die Situation der CDU. Die ist unter Merkel nach links gerrückt und hat rechts die AfD stark gemacht. Das versucht sie zu korrigieren, indem sie wieder nach rechts rückt. In der taz hält man das für falsch, die Leute wählen lieber das Original, heißt es. Warum soll diese Logik nicht auch für die Grünen gelten? Warum sollen linke Grüne Erfolg haben, wenn es ein linkes Original gibt?

  • Um links zu sein braucht es also im Milieu von Herrn Bax eine klare Haltung zum angeblichen Genozid in Gaza? Genau dieser Unsinn hält uns von breiten Mehrheiten ab wäre eher mein Gedanke. Wer sich mal die Umfragen besonders auch hier im Osten ansieht ist ja erstaunt. Es gibt absolute Mehrheiten für mehr Umverteilung und mehr Gleichheit und trotzdem werden die Konservativen und Rechten gewählt. Eigentlich wäre das unsere Spielwiese könnten wir uns nur diesen ganzen wirren Ideologiekram verkneifen.

    • @Šarru-kīnu:

      Sehe ich genauso. Genau dieser unsinnige außenpolitische Fokus und so völlig sinnlose Parolen verhindern, dass mehr Menschen die Linke ernstnehmen

  • Wenn ich mir einige Aussagen von Brantner vor Augen führe oder die Zustimmung der Grünen in BW zur Überwachungssoftware „Palantier“ betrachte, kommen schon große Zweifel daran auf, dass die Grünen noch in der Mitte oder links davon stehen. In meinen Augen beschreiten die Grünen gerade einen Irrweg und dies mit zunehmender Geschwindigkeit.