debatte: Mit der CDU keine Zukunft
Die Union plant die Externalisierung von Asyl. Doch das bereits bestehende Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan hat große Schwächen
Die CDU forderte in ihrem Wahlprogramm die Auslagerung von Asylverfahren in Drittstaaten. Die Externalisierung von Asyl ist noch keinem Staat in Europa gelungen. Sowohl das britische Ruanda-Modell als auch die italienischen Lager in Albanien scheiterten an den nationalen Gerichten. Mit dem Bundesaufnahmeprogramm für Afghanistan (BAP) hat Deutschland bereits ein externalisiertes Verfahren, das gefährdeten Menschen Schutz gewähren soll. Betrachtet man es als Modell für ausgelagerte Asylverfahren, sieht die Zukunft für das Recht auf Asyl finster aus. Das BAP ist langsam, ineffizient und intransparent. Beim Start des Programms im Oktober 2022 versprach die Bundesregierung, monatlich 1.000 Afghan*innen nach Deutschland zu holen. Tatsächlich sind bis heute, 28 Monate später, erst 1.262 Menschen über das Programm gekommen.
Das BAP will Afghan*innen nach Deutschland bringen, die unter dem Taliban-Regime besonders gefährdet sind und daher Schutz benötigen: Menschen- und Frauenrechtler*innen, Aktivist*innen, LGBTIQ+, Journalist*innen. Der Antrag auf Aufnahme ins BAP muss in der Gefahrensituation in Afghanistan gestellt werden. Wer das Land aufgrund akuter Gefährdung schon verlassen hat, bleibt ausgeschlossen. Betroffene können den Antrag nicht selbst stellen, sondern nur mithilfe „meldeberechtigter Stellen“, vom Innenministerium anerkannte zivilgesellschaftliche Organisation. Es gibt aber keine zentrale Anlaufstelle. Zudem verweigert das Ministerium die Veröffentlichung einer Liste der meldeberechtigten Stellen und erschwert damit den Zugang für Schutzsuchende. Es folgt ein mehrstufiges, intransparentes Auswahlverfahren mit einem geheimen Punktesystem, das gefährdete Personen ohne Blick auf den Einzelfall bewertet und aussiebt.
Wer eine Aufnahmezusage des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge bekommt, muss für das weitere Verfahren legal und auf eigene Kosten ins Nachbarland Pakistan reisen, da Deutschland in Afghanistan keine funktionierende Botschaft hat. Dafür braucht es Pässe und Visa für Pakistan, deren Beschaffung die Betroffenen weiter gefährdet und horrend teuer ist. Sie können dafür nicht einfach in die Taliban-geführten Ämter gehen, sondern müssen die Papiere über „Agenten“ beschaffen, die bezahlt werden wollen. In Pakistan führen deutsche Sicherheitsbeamte in der deutschen Botschaft intensive und intransparente Sicherheitschecks durch, die teils mit sehr belastenden Fragen operieren. Akut bedrohte Personen werden einem latent islamfeindlichen Generalverdacht unterzogen. So wurde etwa gefragt, ob man bereit sei, die eigene Religion, den Islam, aufzugeben, oder eine Frau aus Israel zu heiraten.
Formal ist die Aufnahme ins BAP kein Asylverfahren. Wer die Prüfung bestanden hat und irgendwann nach Deutschland gekommen ist, hat nicht Asyl, sondern ein Aufenthaltsrecht. Aber de facto ähnelt das Verfahren sehr einem vorgezogenen, externalisierten Asylverfahren. Mit einigen entscheidenden Unterschieden. Erstens: Es gibt keine Möglichkeit, gegen die Ablehnung zu klagen. Wenn eine Zusage erteilt, später aber widerrufen wird, ist der Rechtsweg unklar. Eine Klage gegen eine Rücknahme ist in jeden Fall schwierig, denn in Pakistan gibt es kein deutsches Verwaltungsgericht, was den Rechtsschutz stark eingeschränkt. Auch eine Rechtsberatung, wie sie in Deutschland zahlreiche Organisationen für Asylbewerber*innen anbieten, gibt es nicht.
Zweitens: Die Antragssteller*innen sind dem Wohlwollen des „Gastlandes“ ausgesetzt. Seit Anfang 2025 schiebt Pakistan massiv ab. Auch die Unterkünfte des BAP in der Hauptstadt wurden schon durchsucht. Zwar wurden bislang nur wenige Afghan*innen im BAP tatsächlich verhaftet und lediglich sechs abgeschoben. Aber die Situation zeigt, dass Afghan*innen auch in Pakistan keineswegs sicher sind. Ähnlich wie die Asylverfahren in Deutschland dauert das Prozedere oft sehr lang. Einige Afghan*innen warten schon zwei Jahre in Islamabad auf Visum und Ausreise nach Deutschland. Während dieser Zeit werden sie in Gästehäusern untergebracht und verpflegt, die die Bundesregierung über die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) finanziert. Für alle anderen Kosten müssen die Afghan*innen selbst aufkommen. Das gilt besonders für die Visa für Pakistan, die spätestens sechs Monate nach der Einreise auslaufen, und deren Verlängerung sehr teuer ist. Da kaum jemand sich das leisten kann, haben viele der Afghan*innen im BAP kein gültiges Visum mehr und sind damit akut von Abschiebung bedroht. Die GIZ und die deutsche Botschaft unterstützen ausdrücklich nicht bei der Verlängerung der Visa. Die lange Wartezeit in Islamabad ist neben der ständigen Angst vor Abschiebung eine extreme psychische Belastung, vor allem auch für die Kinder.
Zögerliche Botschaft
Trotz aller Probleme sind die Afghan*innen im BAP, die in Pakistan auf ihr Visum für Deutschland warten, in einer privilegierten Situation. Für Asylbewerber*innen in einem zukünftigen externalisierten Verfahren wird dies wohl nicht gelten. Es ist kaum damit zu rechnen, dass die Botschaft sich dafür einsetzt, sie zurückzuholen, falls sie während des Verfahrens abgeschoben würden. Auch die kostenfreie Unterbringung ist nicht zu erwarten. So wie das BAP organisiert ist, ahnt man, wie ein externalisiertes Asylverfahren aussehen könnte, das die Union fordert: weder Rechtssicherheit noch Rechtsberatung und Sicherheit vor Abschiebung während des Verfahrens. Stattdessen: mehr staatliche Kontrolle, mehr Abschottung, mehr Willkür. Es geht also um eine massive Einschränkung des Rechts auf Asyl. Falls die CDU diese Pläne umsetzt, wird das BAP kein Modell mehr sein. Denn die Union fordert nicht nur die Externalisierung von Asyl, sondern auch das Ende aller freiwilligen Aufnahmeprogramme.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen