das portrait: Warum Agnes zur Aktivistin geworden ist
Bevor Agnes sich entschließt, anderen zu helfen, arbeitet sie selbst am Golf. 2012 geht die Kenianerin in den Libanon. Agnes, die zu ihrem Schutz hier nicht ihren echten Namen lesen möchte, erzählt der taz, dass sie in Kenia arbeitslos und frisch geschieden war, zwei Kinder hatte sie zu versorgen. Im Libanon sollte sie sich als Kindermädchen um ein Baby kümmern, so versprach es ihr die Agentur. Doch als Agnes in der Familie ankommt, sind dort stattdessen zwei Kinder und die Großeltern – insgesamt soll sie sich um acht Menschen kümmern.
Drei Monate arbeitet sie unter diesen Bedingungen. „Ich musste jeden Tag arbeiten, 16 bis 20 Stunden täglich, und habe kein Essen bekommen, nur Frühstück“, erinnert sich Agnes. Sie nimmt ihre gesetzliche Möglichkeit wahr, um einen Wechsel zu bitten, doch die Agentur weigert sich. Schließlich erreicht sie eine Versetzung zu einem bettlägerigen alten Mann, den sie bis zu seinem Tod pflegt. Die Arbeit ist in Ordnung. Doch nach seinem Tod will eine Angehörige Agnes plötzlich zwingen, nun mit ihr nach Australien zu gehen und für sie zu arbeiten. Wolle sie nach Kenia zurück, solle sie 2.000 Dollar zahlen.
Als Agnes sich weigert, schleppt die Familie sie zur Agentur. „Dort haben sie mich schwer verprügelt dafür, dass ich nicht mit dieser Frau mitgegangen bin. Sie schlugen und schlugen mich, dann bin ich geflohen.“ Von 2015 bis 2020 schlägt Agnes sich auf der Straße durch. „Ich habe überlebt“, so nennt sie diese Zeit. Das kenianische Konsulat verweigert ihr Hilfe, nur gegen 2.500 Dollar soll sie heimkehren dürfen. Als sie sich schließlich über illegale Arbeit die Summe fast verdient hat, kommt die Pandemie: Es gibt keine Arbeit mehr.
Sie erhebt ihre Stimme. Mit anderen Frauen führt sie einen Protest von Migrantinnen an. Eineinhalb Monate schlafen die 107 Frauen in einem Protestcamp vor dem kenianischen Konsulat. NGOs finanzieren ihnen schließlich die Heimreise. Agnes bleibt, bis alle anderen es geschafft haben, dann kehrt sie zurück. Durch ihren Protest findet sie eine neue Aufgabe: Gemeinsam mit der NGO This is Lebanon kämpft sie für Hausangestellte und gegen das Kafala-System auch in den Golfstaaten ein. Alina Schwermer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen