das dramatischste comeback seit lassie von RALF SOTSCHECK:
Der Ire liebt das Glücksspiel. Ein Penny, beim Pferderennen oder in der Lotterie gewonnen, ist mehr wert als ein durch ehrliche Arbeit verdientes Pfund. Hunderte von Buchmachern profitieren von der Wettleidenschaft, und der Staat kann die Lottogelder gar nicht so schnell ausgeben, wie er sie einnimmt.
Außerdem liebt der Ire Quizveranstaltungen. Bei Ratesendungen im Fernsehen sitzt die Familie vorm Bildschirm und kräht die Antworten heraus, bevor die Kandidaten überhaupt den Mund aufbekommen. Ein Quizabend im Pub, bei dem der Erlös für einen guten Zweck gespendet wird, ist eine hoch geschätzte Freizeitbeschäftigung, denn dabei lassen sich Ratespaß und Gewinnaussicht mit einem weiteren Hobby, dem Trinken, mühelos in Einklang bringen.
Die Quizshow „Wer wird Millionär?“ musste in Irland ein Erfolg werden. Die Lizenz für die Sendung, die in 35 Ländern läuft, gehört einem US- Unternehmen. Es ist ähnlich wie bei der Fleischbrötchenkette aus dem Land der kulinarischen Offenbarungen. Der McMillionärsquiz ist, wie die Buletten, weltweit nach demselben Rezept gezimmert: Ein banaler Fragesteller stellt banale Fragen, und die Kandidaten müssen aus vier Antworten die richtige auswählen, bis sie bei der Millionenfrage angekommen sind. Während in den USA und Großbritannien die Sendung jedoch davon lebt, dass manchmal jemand den Höchstpreis gewinnt, zeigen die irischen Lizenznehmer Tyrone Productions keinerlei Absicht, sich vom Preisgeld zu trennen.
Der irische Günter Jauch heißt Gay Byrne. Im vorigen Jahr war er mit großen Brimborium pensioniert worden, nachdem er 30 Jahre lang eine Talkshow im irischen Fernsehen präsentiert hatte. Der Altersruhestand war nur von kurzer Dauer, Byrne schaffte das dramatischste Comeback seit Lassies Rückkehr. Zur Premierensendung waren die Straßen wie leer gefegt, 1,3 Millionen Menschen wollten die Rentnerauferstehung miterleben. Das waren mehr als bei der letzten großen Altmännershow der Illusionen: Der Papst brachte bei seinem Dublin-Besuch 1979 nur eine Million auf die Beine. So gut wie alle irischen Knaben, die in jenem Jahr geboren wurden, heißen John Paul. Wird es in diesem Jahr eine Gay-Schwemme geben?
Wohl kaum. Der Papst hatte wenigstens einen soliden Auftritt hingelegt, Byrnes Millionenquiz ist hingegen lächerlich. Der Ex-Ruheständler schockte Rachel Brennan, die Premierenkandidatin, gleich mit der ersten Frage: „Welche Erntefrucht ist auf irischen Feldern am weitesten verbreitet?“ Kartoffeln, meinte Brennan. Falsch, triumphierte Gay Byrne: „Die richtige Antwort lautet: Gras.“ – Gras eine Erntefrucht? Wenn man es raucht vielleicht. Brennan war durch eine Scherzfrage ausgetrickst worden. Die zweite Frage gab ihr den Rest. Sie war so formuliert, als ob sie einem Zollbeamtenquizbuch entnommen war.
Bisher gab es keinen einzigen Hauptgewinner, im Durchschnitt mussten gerade mal 25.000 Pfund ausgezahlt werden. Nach 13 Sendungen, die vorerst geplant sind, wird nur Gay Byrne Millionär sein.
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