piwik no script img

coitus germaniae non interruptus

Berlin (taz) - Kanzler Kohl kann es nicht mehr abwarten: Die Vereinigung ist noch nicht vollzogen, da sieht er das neue Deutschland (ND) schon geboren. Die Unterzeichnung des Staatsvertrags gestern nachmittag war für ihn „die Geburtsstunde des freien und einigen Deutschland“.

DDR-Ministerpräsident de Maiziere kam mit 16köpfiger Delegation ins Bonner Kanzleramt angereist, wo die beiden Finanzminister Walter Romberg und Theo Waigel zum bereitliegenden Füllfederhalter (Montblanc Meisterstück Nr.149) griffen.

Der Mantel der Geschichte wehte wieder einmal durch den Raum, de Maiziere sprach von einem „historischen Tag“, auch wenn „nicht alle Blütenträume in Erfüllung“ gegangen seien, für Helmut Kohl fing „ein neuer Abschnitt der europäischen Geschichte“ an.

Die Bonner Koalitionspolitiker waren alle des Lobes voll für das 33seitige Vertragswerk, das die Einführung der D -Mark in der DDR am 2.Juli sowie die weitgehende Übernahme des bundesdeutschen Wirtschafts- und Sozialsystems regelt. Die FDP-Fraktion billigte, genauso wie die CDU/CSU, am Vormittag den Vertrag einstimmig (mit der einzigen Enthaltung des CDU-Vertriebenen Czaja).

Die SPD dagegen hat sich, so ihr Vorsitzender Hans-Jochen Vogel, noch nicht entschieden, wie sie sich bei der Ratifizierung, den parlamentarischen Abstimmungen über den Staatsvertrag, verhalten wird. Die Grünen im Bundestag blieben gestern schon der Unterzeichnung demonstrativ fern und machten statt dessen in einer Presseerklärung klar, sie wollten beim „Vollzug einer Unterwerfung“ nicht „staunende Zuschauer“ sein. Die Volkskammer soll den Vertrag bereits am kommenden Montag in erster Lesung verabschieden.

mr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen