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Archiv-Artikel

blümchensex und frühjahrsputz von ILKE S. PRICK

„Das gibt’s doch nicht!“ Sylvias Quieken dringt dumpf durch die geschlossene Klotür. „Sag bloß, du stehst auf Sado-Maso.“ Beate errötet leicht, als sie die Tasse auf den Tisch zurückstellt. Ich verstehe nur Bahnhof: Beate? Sado-Maso? Hä? Unvorstellbar eigentlich, dass Beate auf irgendwas ohne Blümchen stehen könnte. Gruppendynamik. Biodynamik. Beziehungsdramen – all das. Aber Sex? Mit Utensilien?? Unsere Beate??? „Ha!“, tönt es da hinter mir und triumphierend lässt sich Sylvia aufs Sofa fallen. In der Hand die Trophäen: eine Zwille, ein Sprühflakon, ein – uuuähhhhh …

„Klistier“, sagt Beate und schaut distinguiert. „Ja klar, Klistier. Sehe ich selber“, raunzt Sylvia, „für – hmmmm.“ Sie wiegt ihren Hintern obzön in den Sofakissen, grinst und sieht zu mir rüber. Ich stelle fest, dass die Vögel im Baum vorm Fenster wohl mit dem Nestbau angefangen haben. „Das ist immer so im Frühling“, meint Beate seelenruhig. Ich nicke und hoffe, sie meint die Elstern, denn von rituellen SM-Zirkeln zur Tag- und Nachtgleiche habe ich noch nichts gehört. Doch Pustekuchen! „Du solltest nämlich nicht nur einen Frühjahrsputz in deiner Wohnung machen“, fügt sie halblaut hinzu und mir schwant, dass nun etwas viel Beunruhigenderes folgt als Geschichten von Latexanzügen, Nonnenkostümen und Handschellen.

„Wenn der Körper sich im Frühjahr umstellt“, beginnt Beate prompt zu dozieren, „solltest du ihn unterstützen, indem du auch in deinem Magen Hausputz machst. In deinen Därmen. In deinem ganzen Körper.“ O nein! „Du fängst an mit dem Klistier und einer Glaubersalzlösung. Und dann wird gefastet“, fährt Beate fort. Ich sehe, wie Sylvia immer noch hin und her rutscht. Nun allerdings eher besorgniserregend als erregt. „Tee, Brühe und Saft. Sonst nichts. Und danach geht’s los mit den Schlacken.“ Beate ist in ihrem Element, während ich mir vorstelle, wie sich mein körpereigener Putztrupp mit rosa Gummihandschuhen singend und hüpfend auf den Weg durch meinen Darm macht, ein paar Darmzotten mit wunderbar puscheligen Magic Dustern in Regenbogenfarben bearbeitet und über der Blinddarmöffnung Weitsprung übt. Mein Magen kollert.

„Nach ein paar Tagen ist die Zunge dann so belegt mit Giftstoffen, dass du einen Zungenschaber brauchst. Ganz grün ist das dann. Schaut doch.“ Und flugs greift Beate nach der Zwille auf Sylvias Trophäenlager und demonstriert uns eindrücklich, was sie meint. Ich wünsche Beate wirklich nichts Schlimmes, doch bei dem Anblick wäre ich froh, wenn sie all diese Giftstoffe für sich behalten hätte. „Und das hier?“, fragt Sylvia zögernd. „Für die sauberen Ohren einer modernen Frau“, steht auf der Packung. „Ist ein total neues Ohrenspray“, sagt Beate. „Mit Meerwasser. Damit wird das Ohrenschmalz im Gehörgang abgestoßen. Ganz natürlich.“ Frühjahrsputz, na klar. Mir ist leicht übel.

„Noch einen Brennnesseltee?“, fragt Beate. Ich lehne dankend ab. Vielleicht ist das der richtige Zeitpunkt, um nach Hause zu gehen. Da kann ich mich in die Badewanne legen und meinen Körper putzen. Und wenn ich sehr gut gelaunt bin, werde ich mir dabei auch noch den Magic Duster in die Ohren stopfen. Oder sonst wohin.