berliner szenen: Die Scheine der Eisprinzessin
In der Markthalle Neun find ich gegen fünf Uhr fünf Euro – auf dem Boden, der so aussieht, wie ein solcher Boden üblicherweise aussieht gegen fünf Uhr. Ich wende mich, damit winkend, an die Verkäuferin am nächsten Stand: „Grade gefunden. Und jetzt?“ – „Na, wenn ick jetzt ’ne Durchsaje mache, dann mel’n sich hier alle“, ruft sie herzhaft über den Ladentisch. Rät mir: „Behalten Se den.“ Und fügt, um diesem mütterlichen Ratschlag Nachdruck zu verleihen, einen lupenreinen Alexandriner an: „Den ham Se sich vadient, mit Ihrer Ehrlichkeit.“ Plötzlich steht ein kleines Mädchen in Latzhosen neben mir, deutet auf den Schein, sagt: „Das ist meiner.“ Wir Erwachsenen stutzen. „Hab ihn vorhin verloren. Der ist gefaltet“, erklärt sie sachkundig, „und innen drinne is noch einer.“ Setzt, um ihre kleine Behauptung noch ein wenig zu untermauern, „der ist auch gefaltet!“ hinzu.
Ich entfalte mein Fundstück – ein zweiter Fünfer erscheint. Und die Mutter.
„Ist gut“, sag ich zur Kleinen, „die Story ist gekauft.“ Geb ihr beide Scheine. Nach einer Minidiskussion mit ihrer Tochter erklärt die Mutter: „Damit gehn wir Eis essen, alle drei. Einverstanden?“
Wir schlendern zur Eisdiele; wenig später hält jeder von uns eine Waffel mit zwei Kinderkugeln in der Hand. Straßenmusik umfängt unseren Tisch, wir schlecken andächtig Eis. Die Kleine lässt zufrieden die Beine baumeln. „Bist du jetzt der Freund von meiner Mama?“, fragt sie mich dann. „So schnell?“, frag ich zurück.
Etwas Regen setzt ein, verscheucht die beiden Musiker. Wir bleiben. Wilder mit den Beinen baumelnd, steckt die Kleine jetzt die freie Hand in ihre Tasche. Zum Vorschein kommt ein Fünfeuroschein.
Die Mutter sieht sie mit offenem Mund an. „War in meiner Kleingeldtasche“, singt die Tochter. „Klingt nach ’nem zweiten Eis nächste Woche!“, sag ich, zwinkere.
Felix Primus
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