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berliner szenenKleine Sternstunde unterwegs

Auf dem Weg zur Chorprobe um kurz vor acht hat der Himmel die Helligkeit des frühen Frühlings, obwohl es schon dunkel wird. Dieses ganz besondere Licht für ein paar Minuten.

Ich gehe flott und werde trotzdem einen Tick zu spät kommen. Von Weitem ist ein am Boden liegender Roller und ein danebenliegendes Kind zu sehen. Eine Frau beugt sich über das Kind. Doch nach einem Sturz sieht die Szene nicht aus. Ich behalte meinen Eilschritt bei, fürchte mich aber schon vor dem, was ich gleich zu sehen erwarte: Eine übermüdete gereizte Mutter und ein Kind, das sich von vorne bis hinten unwohl fühlt und seinen Frust austobt. Weit gefehlt!

Auf dem schmuddeligen Neuköllner Trottoir wälzt sich fröhlich und vor Lebensfreude überschäumend ein kleines Mädchen in einem rosa-türkisen Schneeanzug. Es macht den Schneeengel und kullert hin und her. Dazu lacht es, eher leise, aber selig und von tief innen. Die Mutter sagt nichts, sie schaut ihrem Kind bloß zu. Der Gehweg ist breit, es rauschen mehr Autos vorbei als Fuß­gän­ge­r:in­nen unterwegs sind und auch das Rollerchen behindert niemanden, kein Problem nirgends.

Ich suche den Blickkontakt zur Mutter, um ihr im Vorübergehen meine Begeisterung mitzuteilen. In dem jungen Gesicht mit halblangen braunen Haaren spiegelt sich das Frühlingslicht und vielleicht steht auch eine winzige Bitte um Nachsicht für die überbordende Lebenslust ihrer Tochter darin. Aber vor allem zeigt sich ein liebevolles Staunen über dieses Wunder am Boden, das zu ihr gehört.

Beim Üben und Versingen denke ich gar nicht mehr an dieses abendliche Erlebnis. Aber auf dem Heimweg habe ich es sofort wieder vor Augen und mit ihm das Gefühl, bei einer kleinen Sternstunde der Menschheit dabei gewesen zu sein.

Katrin Schings

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