berliner szenen: Nee, der gilt noch viele Jahre
Mein Führerschein ist wirklich ein Lappen. Die Buchstaben sind, seit der Ausweis vor Jahrzehnten mitgewaschen wurde, nur noch schemenhaft zu erkennen. Das Passfoto zeigt einen Jugendlichen, der gezeichnet ist von den Spätfolgen der Pubertät. Das Ding soll also weg, weswegen ich im Bürgeramt Prenzlauer Berg einen Termin mache. Eigentlich schiebe ich solche Dinge gern auf die lange Bank. Man hört ja auch nur schreckliche Sachen von der Berliner Verwaltung: Nichts klappe, die Sachbearbeiter seien schlecht gelaunt, man müsse ewig warten.
Pling. Im Bürgeramt erscheint meine Nummer nach nur vier Minuten auf dem Bildschirm. Ich betrete ein Zimmer mit vier Schreibtischen, von denen nur einer besetzt ist. Die Sachbearbeiterin pult meinen Führerschein aus der Plastehülle. Ich erzähle die Geschichte mit der Waschmaschine, sie schaut auf den Führerschein, als leide sie an Sehschwäche. Ob ich einen Pkw lenken darf oder ein Motorrad, einen Lkw oder Bus, wird ja wirklich kaum ersichtlich. Auf meinen Hinweis, es handle sich um ein DDR-Dokument, googelt sie in der Bildersuche nach einem vergleichbaren Zonenlappen. „Ist der mal rosa gewesen?“, fragt sie und rekonstruiert meine Fahrberechtigungen. Ich staune über ihre Ausgeschlafenheit im Umgang mit dem antiquarischen Dokument. Ich hatte damit gerechnet, dass sie mir sagt, das Teil sei ungültig, ich seit Jahren Schwarzfahrer. Aber auch diese Befürchtung zerstreut die freundliche Frau. „Nee, gilt noch viele Jahre, hätten Sie eigentlich gar nicht kommen brauchen, kostet ja auch was.“
Eine Kollegin kommt herein. Sie sagt, sie wolle in der Mittagspause „ein paar Vorgänge erledigen, damit die endlich vom Tisch kommen“. Schimpfe noch einer über unsere Berliner Ämter!
Markus Völker
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