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Archiv-Artikel

beiseite Berlin ohne Siedler

Zeichen der Zeit

Als Ende Juli der Umzug der Popkomm von Köln nach Berlin besiegelt wurde, war mal wieder viel vom „Magnetismus“ Berlins die Rede – Berlin, Berlin, big city a dream, und die Provinz guckt in die Röhre. Als Verlagsstandort aber spielt Berlin keine Rolle mehr – das Buchgeschäft wird woanders gemacht: in München, Stuttgart oder Frankfurt. Die Liste der Abgänge ist lang, man denke an Ullstein, Propyläen, Alexander Fest, Volk und Welt.

Nun hat der zu Bertelsmann (Gütersloh!) gehörende Münchner Verlag Random House angekündigt, auch den Siedler Verlag nach München zu holen. Das ist zunächst nichts Ungewöhnliches: Siedler gehört seit 1983 zu Random House, wo gespart werden muss und die auch räumliche Zusammenlegung Sinn macht. Zumal Siedler bislang mit dem Berlin Verlag Chef und Räume teilte, Arnulf Conradi seinen Berlin Verlag aber im März von Random House zurückkaufte und bei Bloomsbury unterschlüpfte. Da standen also Veränderungen an.

Bedeutend ist der Umzug des Siedler Verlags mit seinen fünf Mitarbeitern vielmehr auf symbolischer Ebene: Siedler ist Urberlin, sozusagen Molle und Korn. Und Verlagsgründer Wolf Jobst Siedler war bis zu seinem Rückzug 1998 ein Verleger, der sich vehement in die Debatten um Zukunft und Gestaltung Berlins einschaltete; ein geschichtsbewusster Wertkonservativer, der gern Preußens Glanz beschwört, ein Schlossbefürworter und mehr. Siedler gibt sich entsprechend betroffen: „Ich finde es schmerzlich, dass die Berliner Hoffnungen zur Zeit der Wende, die an jene Zeiten, die Peter de Mendelssohn in ‚Zeitungsstadt Berlin‘ beschrieben hat, sich nicht erfüllt haben.“ Noch mehr schmerzt es ihn sicher, dass Berlin stattdessen Pop-Hauptstadt wird: MTV statt Siedler – gewissermaßen die Zeichen der Zeit. GERRIT BARTELS