abschiebeknast: Nette Kosmetik
Muss man den Senat dafür loben? Dafür, dass er die Situation in den Abschiebeknästen so wenig belastend wie möglich gestalten will? Dafür, dass er insgesamt rund 150.000 Euro spendiert hat, um erstmals abschließbare Schränke für die Inhaftierten anzuschaffen, und somit einen Hauch von Privatsphäre in ihren Mehrpersonenzellen gestattet? Dass er von dem Geld auch Spiele und Bücher für die zur absoluten Untätigkeit Verdammten kauft? Dass die Inhaftierten nun sogar Putzmittel bekommen, um ihre Zellen auch mal selbst reinigen zu dürfen? Ja, man muss den Senat dafür loben. Denn er hat menschenunwürdigste Zustände verbessert – in nur noch menschenunwürdige.
Kommentarvon GEREON ASMUTH
Doch das eigentliche Problem liegt woanders: Oft monatelang sitzten die Inhaftierten hinter Gittern. Ihr Vergehen: sie haben keine Papiere, die eine unmittelbare Abschiebung in ihr Herkunftsland ermöglichen. Menschen, denen kein Verbrechen nachgewiesen werden kann, gehören schlichtweg nicht hinter Gitter. Nicht einmal, wenn es dort komfortabel wäre.
Über die grundsätzliche Existenz der Abschiebehaft kann nur der Bund entscheiden. Aber in Berlin könnte die Zahl der Inhaftierten wenigstens gesenkt werden. Zwar läuft seit Januar ein entsprechender Modellversuch, doch der habe sich auf die Praxis der Ausländerbehörde bisher kaum ausgewirkt, kritisieren Menschenrechtsgruppen.
Nun will Innensenator Körting noch Gitter im Abschiebeknast und Trennscheiben in den Besucherräumen abbauen lassen – falls es die Haushaltslöcher zulassen. Wer sich nicht einmal eine menschenunwürdige Politik leisten kann, sollte sie einstellen.
meldung SEITE 22
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