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Zwischen allen Stühlen

betr.: „Integrationskurs für Deutsche“, taz vom 29. 5. 01

[...] Den Kommentar finde ich einseitig, schräg und wenig akzeptabel. Mit der Integration haben nämlich sehr wohl beide Seiten heftigste Probleme.

Die Einwanderergeneration der ersten Stunde ist damals überwiegend aus dem anatolischen Hinterland mit wenig Bildung gekommen. Sie hatten ihre Ängste vor dem Fremden und es so gemacht, wie wohl überall auf der von Ihnen so integrativ beschriebenen Welt: Sie haben sich in türkischen „Gemeinden“ zusammengeschlossen. Da, wo man ihre Sprache und ihre Kultur, ihre Herkunft verstand.

Mittlerweile haben wir die „Einwanderer“ der dritten Generation, die, wenn sie es täglich selbst erleben, zwischen allen Stühlen sitzen. Sie sprechen weder anständiges Türkisch noch vernünftiges Deutsch. Und wie ihre Sprache – Sprache verstanden als das deutlichste Zeichen des Fühlens von Zugehörigkeit! –, so ist oft auch ihr Benehmen.

Zu Hause, im anatolischen Elternhaus, fühlen sie sich nicht recht wohl; in der deutschen Gesellschaft haben sie ihre Konflikte: deutsches Umfeld – türkische Kultur. Was das Resultat davon ist, können Sie sich getrost in jeder Schule ansehen.

Selbstverständlich müssen auch wir lernen. Lernen zu akzeptieren, dass nicht alle Leute gleich sein müssen, dass Sozialisationsprozesse unterschiedlich verlaufen können, Lebensgeschichten unterschiedlich sind. [...]

Aber wenn wir Integration wollen, brauchen wir dringend sofort ein Umdenken in der Bildungspolitik. Wir brauchen Lehrstellen für ausländische und deutsche Jugendliche. Wir brauchen Geld für einen ordentlichen schulischen Ethik- oder Religionsunterricht, verpflichtend für beide Seiten. Wir brauchen Geld für eine gescheite Elternarbeit, und wir brauchen den Mut zu sagen, dass nicht alle Konflikte zwischen Deutschen und Ausländern am mangelnden Integrationswillen einer der beiden Parteien liegt, sondern ganz einfach daran, dass es hier wie dort sone und solche Menschen gibt. [...] PETRA SAKRAK, Bremen

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