: Zwischen Bleiben und Gehen
„Ein bisschen Schutz für den modernen Großstadtnomaden“: Literaturhotel Wedrina in St. Georg eröffnet Blaues Haus mit 14 minimalistisch gestalteten Autorenzimmern. Teils signierte Mini-Bibliothek, Faksimiles und in die Wand gearbeitetes Zitat inklusive
Beton – das ist Abstraktion pur. Eine Tabula rasa, auf der Gedanken, Inspirationen, Worte gedeihen können. Ein Material auch, das sich beliebig färben, überdecken, verändern – oder auch einfach wieder abreißen lässt, wenn sich‘s der Gestalter anders überlegt. Ein Rohmaterial minimalistischen Bauens sozusagen, wobei sich die Frage stellt, wie weit solch Kunstkonzept als inspirierendes Wohnambiente taugt. Doch den Versuch ist es wert, gestartet im jetzt um zwei Häuser – das Grüne Haus und das Blaue Haus – erweiterten Literaturhotel Wedrina in St. Georg.
Dem Ursprungskonzept ist der Schweizer Inhaber Felix Schlatterer dabei treu geblieben: Literaten eine literaturumwobene Heimstatt zu bieten, dem „reisenden Großstadtnomaden“ „ein bisschen Schutz zu geben“. Ziel sei, den „Schwebezustand zwischen Bleiben und Gehen“ architektonisch mitzugestalten, wie es Literaturhaus-Leiterin Ursula Keller – ihre Autoren logieren seit 1999 gratis im Wedrina – formuliert.
Ein Konzept der Autorenzimmer hat Ex-Literaturhaus-Leiterin Vera Kaiser daher für die 14 Räume des Blauen Hauses entworfen, hat nach Faksimiles gesucht, hat Bibliothekare und Autoren von ihrer Idee überzeugt. Und so gibt es jetzt – neben anderen – ein Bachmann, ein Frisch- und ein Nabokov-Zimmer. Alle bieten eine Mini-Bibliothek mit Werken des jeweiligen Autors. In jedem Autorenzimmer prangt zudem ein Faksimile-Abdruck an der Wand; ein Zitat ist zudem dezent in die Wand gearbeitet. Einem erkennbaren Konzept ist Vera Kaiser bei der Autorenauswahl allerdings nicht gefolgt; „uns haben reisende Autoren interessiert“.
Am inspirierendesten ist allerdings die mittägliche Muße im sommerlichen, nischenreichen Garten. Wahrscheinlich, weil sich die Pflanzen einfach nicht um den Minimalismus gekümmert haben. Petra Schellen
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