Zweites Treffen von CDU und Grünen: Eine Sache für Brückenbauerinnen
Auch die zuvor äußerst strittigen Themen Innere Sicherheit, Verkehr und Enteignung lassen die schwarz-grüne Koalitionsoption nicht platzen.
Am späten Nachmittag ist klar: Auch diese umstrittenen Themen, inklusive Enteignung großer Wohnungseigentümer, sorgen nicht für einen Abbruch der Gespräche. Vielmehr soll es am Dienstag weiter gehen. „Wir haben bei all diesen Themen festgestellt, dass man Gräben auch überbrücken kann, wenn man tatsächlich an Lösungen interessiert ist“, wird Jarasch, die sich langem als Brückenbauerin sieht, sieben Stunden später resümieren. Als „lösungorientert“ bezeichnet Wegner das Treffen.
Ein Zeitlimit hatten sich beide Seiten nicht gesetzt, man wollte so weit kommen wie möglich. Am Montag, als die CDU an gleicher Stelle mit der SPD tagte, dauerten die Gespräche sechs Stunden, ohne dass alle Bereiche abgearbeitet waren. „Heute geht es um Themen, wo wir durchaus wissen, dass es da unterschiedliche Auffassungen in einigen Bereichen gibt“, beschreibt Wegner am Morgen die Ausgangslage. Die Grünen hatten beispielsweise im Wahlkampf die Vornamen-Anfrage der CDU zur Silvesternacht als rassistisch bewertet.
Wegner wiederum konnte sich bei einer RBB-Spitzenkandidatenrunde mit Blick auf die Verkehrspolitik eine Koalition mit den Grünen „nicht vorstellen“. Ausgeschlossen hatte er allerdings dazu nichts, und auch führende Grüne wiesen schon vor der Wahl darauf hin, dass ihre Partei zwar viel an der CDU kritisiert, aber eben nichts ausgeschlossen hätte.
Zusammen sitzen sie an diesem Mittwoch an einem Ort, der für das jetzige Treffen durchaus Bedeutung hat. In jenem „Café im Wasserturm“, einem Backsteinbau neben der Baustelle des Ex-Gasometers, in dem künftig die Bahn zu Hause ist, nahm Wegner im März 2019 Anlauf zum CDU-Landesvorsitz – für ihn die Basis zur Spitzenkandidatur.
Die Grünen loten auch die Option Rot-Grün-Rot aus
Seine grünen Gesprächspartner hatten 16 Stunden vor dem Treffen mit der CDU noch mit SPD und Linkspartei zusammengesessen und erstmals offiziell über eine Fortsetzung der bisherigen links-grünen Koalition beraten. Es war danach durchaus einiges an Konjunktiv zu hören vor der Müllerstraße 163 im Wedding, wo der Berliner Landesverband der SPD residiert. Getrennt nach Parteien traten die führenden Köpfe der drei Parteien dort auf den Bürgersteig und schilderten rund einem Dutzend Journalisten ihre Sicht auf das Treffen. „… wenn wir weitermachen würden“, war etwa von der grünen Delegationschefin Jarasch zu hören, und bei der SPD klang, untermalt vom Lärm vorbei rauschender Autos, auch manches nach „wäre“ und „müsste“.
Und während von der Linkspartei zu hören war, in die inhaltliche Analyse werde man erst bei einem zweiten Treffen am Donnerstag einsteigen, ging es laut SPD-Co-Landeschefin Franziska Giffey durchaus schon um Inhalte. „Selbstverständlich kann man eine Diskussion über Gründe nicht führen, ohne über Themen zu sprechen“, sagte die seit 2021 amtierende Regierende Bürgermeisterin. Allen sei klar gewesen, dass es Veränderungen geben müsse, sowohl inhaltlicher Art als auch im Umgang miteinander.
Auf die Frage, ob es moralisch vertretbar sei, wenn Rot-Grün-Rot trotz klarer Verluste weitermacht, konterte Linkspartei-Landeschefin Katina Schubert: „Haben Sie sich mal die Mehrheitsverhältnisse im Parlament angeschaut? Rot-Grün-Rot ist die Kombination mit der bei Weitem größten Mehrheit.“ Für Kultursenator Klaus Lederer, Spitzenkandidat bei der Wahl am 12. Februar und Jurist, wäre eine Fortsetzungen des bisherigen Bündnisses „total legitimiert“.
Raed Saleh, Giffeys Co-Vorsitzender an der Spitze der SPD, sagte, man habe „in der Sache durchaus hart“ über das Wahlergebnis diskutiert. Bei der hatten alle drei bisherigen Koalitionspartner gegenüber der für ungültig erklärten Wahl vom 26. September 2021 verloren. Am meisten gilt das für die SPD, die um drei Prozentpunkte auf 18,4 Prozent absackte, ihr schlechtestes Berliner Ergebnis seit dem 2. Weltkrieg, am wenigsten die Grünen, die einen halben Prozentpunkt verloren, und ebenfalls auf 18,4 Prozent kamen. Vorn liegt die SPD bloß, weil sie nach bisherigem Stand landesweit rund 100 Stimmen mehr bekommen hat bekommen hat als die Grünen.
Ob es dabei bleibt, bleibt mindestens bis Montag offen. Dann tagt der Landeswahlausschuss und stellt nach zahlreichen Kontrollen und Überprüfungen in den Bezirken das amtliche Endergebnis der Wahl fest. Liegen die Grünen dann vor der SPD, könnten sie anders als bei einer Koalition mit der CDU über ein grün-rot-rotes Bündnis erstmals die Berliner Regierungschefin stellen. In diesem Amt wäre Bettina Jarasch die erste grüne Ministerpräsidentin in Deutschland. Wobei bislang offen ist, ob die SPD eine solche Rolle als Juniorpartnerin annähme und nicht lieber erstmals seit 34 Jahren in die Opposition ginge.
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