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Zweites Treffen mit Kurden in Bagdad

■ Alliierte forcieren Repatriierung kurdischer Flüchtlinge in die „Sicherheitszone“

Bagdad/Ankara/Diyarbakir (dpa/ ap/wps) — Unter Führung von Masud Barsani ist gestern zum zweiten Mal eine Kurden-Delegation mit Vertretern der irakischen Regierung in Bagdad zu Gesprächen über eine Autonomie der Kurden im Norden des Irak zusammengekommen. Wie die irakische Nachrichtenagentur 'Ina‘ berichtete, trafen sich Barsani und Mitglieder der wichtigsten kurdischen Gruppen unter anderem mit dem stellvertretenden Vorsitzenden des Revolutionären Kommandorates Ibrahim und dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Asis.

'Ina‘ zitierte einen Regierungsbeamten, wonach sich die Gespräche auf eine Garantie für die Einheit des Irak sowie auf die Stabilität im Lande konzentrierten. Der Beamte fügte hinzu, die Gespräche verliefen in einer „positiven Atmosphäre“. Was den einen als „positiv“ erscheint, löst bei anderen irakischen Oppositionsgruppen, aber auch in den Nachbarländern Türkei und Iran zunehmend Mißtrauen aus.

In Teheran befürchtet man, daß Saddam im Falle erfolgreicher Verhandlungen mit den Kurden wieder massiv gegen die Schiiten im Süden des Landes vorgehen wird. In der türkischen Presse argwöhnen Leitartikler, der Rückzug irakischer Truppen aus der sogenannten Sicherheitszone sei Beweis für eine geheime Absprache zwischen Bagadad und Washington: Saddam habe demnach die Souveränität über die Sicherheitszone abgegeben — im Gegenzug lasse Washington den Kriegsgegner an der Macht. Hinter einer möglichen Autonomie einer kurdischen Region im Irak wittert zum Beispiel die türkische Tageszeitung 'Günes‘ den ersten Schritt in Richtung eines kurdischen Staates — den die Türkei scheut wie der Teufel das Weihwasser. Die kurdisch—irakischen Verhandlungen dürften denn auch auf der Tagesordnung stehen, wenn, wie aus türkischen Regierungskreisen verlautete, der stellvertretende Ministerpräsident Tarik Asis kommende Woche nach Ankara reist. Noch steht die offizielle Bestätigung für den Besuch aus, doch gilt als gesichert, daß neben der Kurdenfrage auch die beiden Ölpipelines Thema sein werden. Über diese Pipelines exportierte der Irak bis zur Invasion Kuwaits täglich rund 1,6 Millionen Barrel Öl von den Fördergebieten um Kirkuk über zwei türkische Mittelmeerhäfen. Unterdessen forcieren die Alliierten die Rücksiedlung von kurdischen Flüchtlingen aus türkischen Lagern in die von ihnen eingerichtete Schutzzone.

Noch in dieser Woche sollen mit Hilfe alliierter Truppen 200.000 Kurden in die irakische Heimat zurücktransportiert werden. Um ihnen die Heimkehr zu erleichtern, stehen vorerst drei Versorgungslager bereit. Inzwischen gilt als wahrscheinlich, daß alliierte Truppen die sogenannte „Sicherheitszone“ bis in die Stadt Dohuk ausdehnen werden. Der UNHCR hat dagegen angekündigt, Flüchtlinge in den Grenzregionen zu befragen, ob sie tatsächlich in ihre Heimat zurückkehren wollen.

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