piwik no script img

Zweiter Bildungsweg ist bedroht

■ Die Bildungsbehörde möchte die VHS-Kurse beschneiden / Entscheidung auf August vertagt

Weitgehend unbemerkt steht Bremen kurz vor einem bildungspolitischen Paradox: Die von der Volkshochschule (VHS) angebotenen Vorbereitungskurse zur „Nichtabiturienten-Prüfung“ erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Doch genau deshalb sollen sie eingeschränkt werden. Stattdessen möchte die Bildungsbehörde das am „Zweiten Bildungsweg“ interessierte Klientel lieber in die von ihr unterhaltene „Erwachsenenschule“ (EWS) umleiten. Dort gibt es im Abendgymnasium nämlich noch freie Kapazitäten. Eine ähnliche Umschichtung von der VHS zur EWS ist auch bei den Realschul-Kursen geplant.

Eigentlich sollte das Behördenkonzept bereits in den zuständigen Deputationen für Bildung und Kultur am 20. und 24. Juni beschlossen werden. Nur der erbitterte Protest der VHS hat jetzt noch einmal zu einer Verschiebung geführt. Das Thema soll erst im August in den Deputationen beraten werden, erklärte die Bildungsbehörde am Freitag, Auswirkungen hätte es dann nicht mehr wie eigentlich geplant zum Schuljahr 96/97, sondern erst ein ganzes Jahr später. Außerdem soll die VHS am 11. Juni die Möglichkeit bekommen, ihre Kritik an dem Vorschlag von Bildungssenatorin Bringfriede Kahrs persönlich zu erläutern.

Hintergrund der Auseinandersetzung ist ein Prüfauftrag des Finanzsenators, der noch aus der Zeit der Ampelkoalition stammt. Ziel sollte es sein, die verschiedenen Angebote des Zweiten Bildungswegs so umzuorganisieren, daß Kurse besser ausgelastet werden und damit Personalkosten gespart werden können. Tatsächlich hat die Behörde bei ihrem Vorschlag eine Einsparung von insgesamt 8,5 Stellen errechnet. Die steht allerdings erst mal nur auf dem Papier, da sowohl die LehrerInnen bei der VHS wie auch bei der EWS unbefristete Arbeitsverträge haben.

„Tatsächlich geht es nur bedingt um Einsparungen“, vermutet denn auch die Gesamtkonferenz der VHS in einer Stellungnahme, „sondern vielmehr um eine Verschleierung des Ausmaßes der nicht ausgelasteten Lehrerstunden in einigen Bereichen der EWS – auf Kosten des kleineren Schulabschlußbereiches an der VHS.“ Die Angebote von VHS und EWS seien jedoch aus gutem Grund sehr unterschiedlich. Die Vorbereitung auf den Realschulabschluß findet bei der VHS am Tag statt, bei der EWS dagegen in Abendkursen. Für das vom früheren Schulbesuch besonders gefrustete Klientel der VHS-Kurse sei dies keine realistische Alternative. Das würde nicht abends die EWS-Kurse füllen, sondern dann überhaupt keinen Unterricht mehr besuchen, fürchten die VHS-LehrerInnen.

Auch die geplante Halbierung der Nichtabiturienten-Kurse bei der VHS wird von der Behörde mit der Hoffnung begründet, mit den dann abgewiesenen InteresentInnen die Klassen des Abendgymnasiums an der EWS zu füllen. Dies sei nicht nur unrealistisch, sondern auch teuer, kritisiert die VHS. Denn während der Besuch des Abendymnasiums drei bis vier Jahre dauert, führen die VHS-Kurse schon nach zwei Jahren zur Hochschulzugangs-Berechtigung. Und das offenbar auch mit großem Erfolg. 85 Prozent der AbsolventInnen studieren nach einer Untersuchung der Bremer Uni mit Erfolg. Ase

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen