: Zweite Liga ist nicht Neues Forum
Der SV Babelsberg kann einfach nicht mehr gewinnen. Nun wird es für Vereinschef Detlef Kaminski eng
Für einen Moment ließ Detlef Kaminski verloren geglaubten revolutionären Elan aufblitzen. Wie 1989, als der Mann mit dem feinen Oberlippenbart nach den manipulierten DDR-Kommunalwahlen in Potsdam das Neue Forum mitbegründete. „Was heute abgeliefert wurde – nein, danke!“, schimpfte er. Doch stritt Kaminski am Sonnabend nicht gegen DDR-Altlasten, sondern versuchte, den erbosten Fußballanhängern in Potsdam die deftige 1:5-Pleite seines SV Babelsberg gegen den Greuther Fürth zu erklären.
Kaminski ist Präsident des SVB, und in dieser Funktion steht der erfolgverwöhnte Macher urplötzlich auf der Verliererseite. Die bisher so penibel gepflegte Familienidylle der selbst ernannten „Babelszwerge“ ist am Ende nach einer Niederlagenserie, die den Verein immer bedrohlicher an den Rande des Abstiegs drängt. Der letzte Sieg datiert vom 2. Dezember, errungen gegen Schweinfurt. Am Wochenende rebellierte die Basis lautstark – auch gegen Kaminski, der bisher als unangreifbar galt. Denn der „schwarze Abt“, der seinen SVB streng führt, personifizierte den jahrelang ungebrochenen Aufstieg von der Verbandsliga Brandenburg ins bundesdeutsche Profilager. Nach dem Fiasko vom Sonnabend begrüßte Potsdams Exbaustadtrat, äußerlich gefasst, Fans und Funktionäre im Karl-Liebknecht-Stadion mit einem sarkastischen „Willkommen zu unserem Masochistentreffen.“
Sicherlich, die Niederlage schmerzte alle. Am meisten freilich musste der Chef leiden. Zwei Tage vor dem Spiel wurde Trainer Hermann Andreew – auf Betreiben des Aufsichtsrates – vom Vorstand überraschend beurlaubt, obwohl Vorstandsvorsitzender Kaminski den glücklosen Russen im Amt halten wollte. „Andreew sitzt gegen Fürth definitiv auf der Bank“, hatte der Boss verfügt. Also hatte niemand Grund, daran zu zweifeln.
Als die Partie angepfiffen wurde, nahm Manager Oskar Kosche auf der Trainerbank Platz. „Ich habe mich nicht um diesen Job gerissen“, beteuerte der Interimscoach, der über keine Trainerlizenz verfügt. Umso bitterer für Kaminski. Der stets in feinem Zwirn gekleidete „schönste Politiker Potsdams“ rätselt seitdem, was hinter dem Putschversuch gegen ihn steckt.
Die Kräfteverhältnisse in der Filmstadt scheinen sich zu verschieben. Mag sein, dass die Kaminski-Opponenten die Angst vor dem Abstieg zur Revolte antrieb. „Wir alle wussten doch, dass die 2. Liga für uns ein Abenteuer wird“, argumentierte Kaminski in eigener Sache. Sicherlich: Der Verein hat es schwer. Vor allem finanziell. Vergangenen Donnerstag musste Manager Kosche erklären, dass die fälligen Januargehälter erst mit 14 Tagen Verspätung ausgezahlt würden, weil zwei Sponsoren nicht flüssig waren.
Zwar versuchte Kaminski, die Lage verbal zu entschärfen: „Der Abstieg wäre kein Genickschuss. Wir haben keine Schulden, nur die üblichen Kontokorrentkredite.“ Aber eine Klasse tiefer müssten die Babelsberger den Gürtel enger schnallen: Statt garantierter drei Millionen Euro, erhält ein Verein in der Regionalliga derzeit knapp 400.000 Euro aus dem Fernsehpool des Verbandes. JÜRGEN SCHULZ
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